Fotos: ©Arc’teryx
Die ersten Griffe und Tritte in den Fels vermitteln bereits Sicherheit, obwohl der Wind von der Seite unnachgiebig versucht, unser Gleichgewicht in der Wand auf die Probe zu stellen. Draußen zu klettern ändert irgendwie schlagartig alles, der Adrenalinpegel erhöht sich, während die Nachmittagshitze Schweißperlen auf die Stirn treibt. Wir sind auf Einladung von Arc’teryx zum ersten Mal zu den Felsformationen von Moab gereist, um in der Natur zu klettern. Und schon bei der Premiere eröffnet uns die Sportart ganz neue Horizonte, verglichen mit den Sessions in der Kletterhalle, die uns vier Bostoner Freundinnen in den vergangenen Jahren enger zusammengeschweißt haben. Man lernt in der Seilschaft vom ersten Moment an, dem Kletterpartner quasi blind zu vertrauen.
Doch unter freiem Himmel fühlt sich das Klettern anders an: anspruchsvoller, privilegierter und realer. Draußen funktioniert meine Klettertechnik fast genauso effektiv, aber der Naturstein erfordert, die Bewegungen spontaner an Situationen anzupassen. Unzählige Möglichkeiten, sich den Weg nach oben an den natürlichen Rissen, Löchern und Felsvorsprüngen zu erarbeiten. Mit der Anzahl der Optionen steigt für uns auch der Anspruch – so unglaublich viel Handlungsspielraum und keine vorgegebene Abfolge wie bei Indoor-Routen. Dem Kletterequipment müssen wir hier noch bedingungsloser vertrauen können. Wir alle stehen mächtig unter Strom nach den ersten Boulderrouten des Tages. Sie wecken den Hunger nach mehr. Die Erwartungen wurden weit übertroffen, aber unser Respekt vor der Herausforderung ist jetzt noch größer.
Hallenklettern bedeutet Sport für jedermann
Als wir uns damals zum ersten Mal in der Kletterhalle trafen, sollte ich direkt eine Sportart abseits der Norm kennenlernen, verglichen mit allem, was ich seit meiner Jugend ausprobiert habe. Die farblich auf die Routen abgestimmten Griffe führten uns wie Wegweiser durch die Vertikale. Der Plan des Routenbauers gab vor, wohin man Hände und Füße zu bewegen hat. Und wenn es draußen im Spätherbst ungemütlich kalt wurde, herrschten in der Halle konstante Bedingungen: angenehme 22 Grad und klar strukturierte Schwierigkeitsgrade.
Die lockere Atmosphäre, der leichte Zugang für jedermann sowie die Vielfalt der Kletterer spielen bei der Popularität der Hallen eine entscheidende Rolle. Jene Vielfalt, die sie durch ideale Erreichbarkeit ermöglicht wird, brachte in den letzten Jahren auch deutlich mehr Outdoor-Kletterinnen hervor, die es irgendwann reizte, tiefer einzutauchen – so wie unsere Crew.
Das Bouldern ermöglicht mir, den ganzen Körper einzusetzen und Bewegungen einzuprägen. Anfänger lernen fast instinktiv, wie man immer kraftsparender selbst schwierigere Routen bezwingt. Später gesellt sich der Flow hinzu: “Völliges Aufgehen in dem, was du tust”. Automatisierte Bewegungsabläufe zählen mit der Zeit zum Repertoire und sorgen für die besonderen Momente, wenn in einer Route alles passt. Auch Frauen mit größeren Hemmschwellen ziehen umgehend Selbstbewusstsein aus den ersten Versuchen. Solche Erfolgserlebnisse sorgen langfristig für Gesprächsstoff in Freundeskreisen und vergrößern stetig den Zulauf. Schnelle Leistungssteigerungen wirkten besonders am Anfang stark motivierend, beinahe wie ein Suchtfaktor. Auch deshalb sind viele Kletterhallen mittlerweile weltweit eher überlaufen.
Mit der Zeit hörten wir bei unseren Sessions am Rande immer wieder Geschichten der ambitionierteren Kletterer, von ihren Trips in die Rocklands Südafrikas, in die Wälder von Fontainebleau, und natürlich tauchte auch Moab in Utah dabei immer wieder auf: unser Ziel als erster Schritt aus der Halle an den Fels.