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Travel

Rail Road | Nic von Rupp auf Surftrips per Zug durch Europa

Ein Surffilm abseits der Norm über die Jagd nach den härtesten Wellen des Kontinents

Cover-Foto: Al Mackinnon

Nic von Rupp zeigt mit seinem Surftrip im Zug durch Europa, dass es heutzutage durchaus Alternativen gibt zum Flug um die halbe Welt für feinste Wellen – sogar als professioneller Surfer. Nachdem der Portugiese mit deutschen Wurzeln für „The Reef Road“ noch weltweit Spots wie Nias, Sanur oder Teahupoo im Visier hatte, beamt uns der Nachfolger „The Rail Road“ zurück in eine etwas entspanntere Zeit, in der Nachtzüge und IC-Verbindungen noch als praktische Reisemöglichkeiten galten und Billigairlines oder günstige Interkontinentalflüge eben nicht Surfer problemlos zu jedem Wunschziel chauffieren konnten.

Neben Nics Heimat war die Crew um Filmemacher Gustavo Imigrante mit Barry Mottershead, Dylan Stott, Russel Bierke, Tom Lowe, Mick Fanning, Fergal Smith und Patch Wilson unterwegs in Ländern wie Irland, Norwegen oder Schottland. Der Film untermauert wieder einmal, dass die Wellen in Europa absolut keinen Vergleich scheuen müssen und Entschleunigung beim Reisen ein beinahe in Vergessenheit geratener Trumpf ist.

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Foto: Corey Wilson

Wir lassen den Charger, der fünf Sprachen spricht und in dieser Saison eine der vier begehrten Wild Cards für die Big Wave World Tour eingesackt hat, selbst zu Wort kommen, um zu erfahren, unter welchen Bedingungen der Film entstanden ist.

Logbuch: Nic von Rupp

Als ich aufwuchs, hörte ich den Älteren zu, die von ihren Reisen durch Europa sprachen, über Interrail, mit dem sich auch die letzten Winkel Europas per Zug erreichen lassen. Das bedeutete lange Reisen mit Bekanntschaften und neuen Erfahrungen – eine Form der Reise, bei der Zeit blieb, sich mit anderen Menschen auseinanderzusetzen. Jede Begegnung hinterlässt Spuren. Ich komme aus einer Generation, in der diese Kultur für lange Zeit verloren ging, stattdessen schnelle Billigfluggesellschaften den Ton angaben. Ich bin Teil dieser Generation, möchte überall gleichzeitig sein… alles durchfiltern, nur das Beste mitnehmen. Versteh‘ mich nicht falsch, es ist fantastisch, innerhalb von weniger als einer Woche in vier verschiedenen Ecken der Welt aufzutauchen und an jedem Spot traumhafte Bedingungen zu erleben.

„Ich würde lieber den längeren Zug nehmen als zu fliegen. Ich bin mir nicht sicher, warum. Es gab mir ein Gefühl der Freiheit, unabhängig zu sein“

Aber du musst in der Lage sein, das Rastlose auszuschalten und dich auf die Orte tatsächlich einzulassen. Ich habe das Gefühl, dass Züge dies bei mir schaffen. Du bist im Abteil nur einer von vielen, bekommst auf langen Fahrten Kontakt zu Menschen, die du nicht treffen würdest, erlebst vorbeiziehende Landschaften direkter als aus 10.000 Metern Höhe. Ich war schon mein ganzes Leben häufig in Zügen unterwegs. Als 13-Jähriger im Nachtzug von Lissabon ins spanische Irun, um weiter nach Frankreich zu kommen: Zeiten von „King of the Groms“ 2004. Ich habe das im Prinzip die folgenden fünf Jahre so weitergelebt. Ich würde lieber den längeren Zug nehmen als zu fliegen und bin mir nicht sicher, warum. Es gab mir ein Gefühl der Freiheit, unabhängig zu sein. Die Hektik, den Zug pünktlich zu erwischen, die Boards im Abteil zu verstauen, dann zehn Stunden entspannt lang neben einem völlig Fremden zu sitzen. Ich habe übrigens auch mein erstes Bier in einem Zug getrunken, allein an der Bar. Das waren noch Zeiten.

All diese einschneidenden Erlebnisse und Erinnerungen sind es wahrscheinlich, die mich dazu gebracht haben, auf die Schiene zurückzukehren.

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Baskenland und Skandinavien

Wir starteten unsere Reise im Herbst vom Estação do Oriente in Lissabon, wo ich vor vielen Jahren auch den Zug nach Irun genommen hatte. Neben mir an Bord saß noch meine Filmcrew, und wir fuhren nach Norden in Richtung Spanien. Wegen schlechter Bedingungen im Baskenland mussten wir uns einen Plan B zurechtlegen: Mein Trauzeuge Freddie Meadows gilt als einer der Surfpioniere in Skandinavien. Er hatte mir hinter vorgehaltener Hand vom großen Potenzial erzählt.

Ein Schwell kündigte sich in den Vorhersagen an, und wir hatten ja eh gerade Zeit. Die Dünung sollte auf die abgelegene Region weit im Norden treffen, also mussten wir für die erste Etappe eine Abkürzung nehmen, um rechtzeitig vor Ort zu sein. Der Flug nach Skandinavien blieb als einzige Option. Bei unserer mehrmonatigen Mission mit der Bahn ging es ja auch nicht darum, jedes Mal ausschließlich den Zug nehmen zu müssen, sondern dann umzusteigen, wenn sich die nötige Zeit dafür bieten würde. Das nördliche Skandinavien war wie erwartet eiskalt, menschenleer und landschaftlich unglaublich prägend. Die Zugfahrt nach der Ankunft entlang von Bergen, Fjorden und Schnee zählt zu den schönsten Erfahrungen, die wir auf dem Trip gemacht haben. 

Nach einer ziemlich langen Fahrt kamen wir endlich an. Mein Kumpel Freddie sammelte uns ein und kümmerte sich um die letzte Etappe zu einer Insel, auf der sonst fast nichts war. Es gab keine Hotels oder Restaurants, nur ein heruntergekommenes Hostel, das von einem Schweden namens Vito geführt wurde. Vito, in seinen 60ern, betreibt Angelcharter im Sommer und überwintert dort allein in der kalten Jahreszeit.

Der Grund, warum wir da überhaupt hochfuhren, war allerdings Freddie. Er hatte die Ecke seit einigen Jahren immer mal wieder erkundet, kennt viele Gegenden wie seine Westentasche. Im Vorjahr hatte er erwähnt, eine außergewöhnliche Welle entdeckt zu haben, die noch nie zuvor gesurft worden war – deshalb waren jetzt hier. Wir überzeugten Vito mit allen Kräften, dass er uns durch die Fjorde rausbringen würde. Denn verständlicherweise will niemand mit seinem Boot bei -10 Grad und rauer See ablegen.

Freddie war mit seinem ganzen Material angereist: Truck und Jetski. Ich paddelte raus, und zum Auftakt drückte mich das erste Set so tief runter, dass ich es kaum nach oben schaffte, bevor sich umgehend die zweite Welle über mir entlud. Von diesem Moment an beschlossen wir, tow-in zu surfen. Ich zog mit dem Jetski zuerst Freddie in ein paar große Wellen, aber sobald ich an der Reihe war, entschied sich das Wetter gegen uns: auflandiger Wind. Wir sollten noch eine weitere Woche auf der Insel hocken und auf ein offenes Swell-Fenster hoffen, doch das Winterwetter erwies sich einfach als zu unvorhersehbar. Sturm folgte auf Sturm, mit nur kleinen Pausen dazwischen. Bald schwanden Hoffnungen und Budget, und wir hatten keine andere Wahl, als nach Hause aufzubrechen. Die Rendite einfahren konnten wir zwar nicht, aber die persönliche Latte für Abenteuer haben wir höher gelegt. Eine Welle voller Potenzial, die in der rauen Nordsee manchmal läuft – und manchmal eben nicht…

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Schottland und Irland

„No. 10s“ in Schottland steht auf meiner Liste, seit ich 2011 da mal perfekte Bedingungen erlebte. Es ist einer der härtesten Slabs, den man in Europa findet. Seit sieben Jahren checke ich regelmäßig die Wetterkarten, und es sah nie so aus, als ob die Elemente eindeutig zusammenkommen. Es ist so schwer, weil sich die Windvorhersage ständig ändert, die Gezeitenunterschiede sehr groß sind und das Tageslicht auch noch nicht unbedingt lange da ist. Ich habe das Gefühl, dass du da oben ständig auf der Jagd bleibst.

Im Anschluss an unseren Aufbruch, nachdem die Charts am Vorabend noch gut ausgesehen hatten, überprüfte ich noch einmal Wellenprognose und sah, dass sich das Blatt für uns zum Schlechten gewendet hatte. Aber hingefahren sind wir trotzdem. Die Gewissheit, dass die Welle nicht mehr surfbar sein würde, gab uns mehr Zeit, um auf dem gemütlichen Weg dort hochzufahren. Wir nahmen den Zug, schauten uns schottischen Orte in den Highlands wie Glenfinnan und Loch Shild an – Highlights… Wir hingen ein paar Tage in Thurso ab, eine schöne Welle. Aber für mich muss das Surfen in eisiger Kälte etwas Besonderes bieten. Wir begannen, uns mit Optionen in der Nähe zu beschäftigen. Irland sollte in den nächsten Tagen guten Swell abbekommen. Also orientierten wir uns in diese Richtung.

Irland, mein Lieblingsziel weltweit. Ich liebe natürlich die Wellen, aber genauso könnten ich die Menschen, die Kultur, die After-Surf-Pints vor dem Kamin hervorheben. Die Leute fragen mich, ob es mir nichts ausmache, in eiskalten Winterbedingungen mit dickem Wetsuit zu surfen. Das macht es schon. Es ist nicht angenehm, sich in Booties, Handschuhe und dicken Wetsuit zu quälen. 

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Wir haben es endlich nach Irland geschafft. Meine beiden Filmer sind Bodyboarder, und für sie spielt es keine Rolle, ob die Gezeiten nicht ganz passen oder die Schwellrichtung nicht ganz ideal ist. Sie drängten mich, es auch zu versuchen. Wir tauchten also früh morgens bei Rileys auf, und sollte eindeutig nicht der Tag der Tage werden. Groß, schnell, sehr flach über dem Riff und keine Einheimischen in der Nähe. Das sagt eigentlich alles.
Nachdem ich den Spot eine Weile sehr skeptisch betrachtet hatte, tauchte ein Auto auf. Mick Fanning und seine Crew sprangen heraus.

Wir begutachteten die Welle zusammen von oben, und es sah einfach nach falschem Timing aus, hier zu surfen. Aber wir hatten Zeit vor der nächsten Session zu überbrücken. Also beschlossen wir, uns aus der Nähe einen zweiten Eindruck zu verschaffen. Es endete damit, dass zwei Wellen direkt über dem trockenen Riff brachen. Alles war bei meiner ersten Rileys-Session unpassend: Gezeiten, Größe und Richtung des Swells. Kein Wunder, warum keine Locals an dem Tag aufkreuzten. Die absolut rohe Gewalt dieses Spots ist Ehrfurcht einflößend. Es war schon eine Erfahrung, nur da draußen zu sitzen und wahre Monster wie in Teahupo’o anzuschauen, die auf freiliegendem Riff regelrecht explodierten. Einige Wellen sind einfach nicht dazu erkoren, gesurft zu werden. Aber ich wusste, dass ich zurückkommen musste.

Wenn man in Irland ist, jagt man den Gezeiten hinterher, Flut hier und gerade Ebbe anderswo. Es ist auch nicht so, dass man bequem sein Auto am Strand direkt am Wasser parken könnte. Irland bedeutet einen 30-minütigen Abstieg die Klippe hinunter, gefolgt von einer halbstündigen Paddeltortur ins Line-up. Es ist einfach immer ein Abenteuer.
Alles dauert länger, während das Tageslicht so kurz ist, dass man von einem Spot zum anderen hastet.

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The Cliffs – ein magischer Ort. Tom Lowe hatte mit mir über die Energie dieses Spots gesprochen, lange bevor ich es dorthin geschafft habe.  Viele Fotos und Videos hatte ich gesehen, und schließlich stand ich Jahre später vor dieser Klippe mit Blick auf Europas ikonischen Big-Wave-Slab. Wenn man sich diese Arena anschaut, fühlt man sich unmittelbar klein. So viel Energie im Zusammenspiel von Ozean und Felsen. Wenn man die Klippen herabschaut, sieht die Welle nicht unbedingt groß aus, man nimmt nicht viel davon wahr, bis man tatsächlich da drin ist – und das ist eine Stunde später. Es ist eine abenteuerliche Mission, nicht nur auf dieser Welle zu surfen, sondern auch dorthin zu kommen. Ich hatte die Ehre, von den Locals geleitet zu werden, Tommy Lowe, Dan Scarowsky, Jack Johns, einer Crew, die meine Leidenschaft für dicke, kalte, schwere Wellen und anschließende Pints im Pub teilt. Einige der besten Leute, die ich getroffen habe: bodenständig, bescheiden und mutig. Genau, wie man es mag.

Ich komme endlich im Line-up an, spürte die Urgewalt. Es herrscht eine andere Energie als bei allen anderen Spots, roh und rücksichtslos. Ein einfacher Einstieg beim Anpaddeln, schon baut sich eine Wand auf, bei der eigentlich nur ein Ire die Eier hat, mit ihr umgehen zu können. Auch die Welle ist unberechenbar. Einige Sets rollen wie eine tahitische Barrel, andere sehen aus, als würden sie dasselbe tun, aber sie verschlingen dich einfach. Kein Wunder, dass da draußen Menschen verletzt werden. Es ist eine unnachgiebige Welle, sie erinnert mich an Jaws, nur hier mit einer Barrel von oben bis unten. Nach Stunden mit Wipeouts kam Tommy Lowe rüber und steckte mir, dass mit der Flut, die ziemlich hoch steigen sollte, die Zeit für die größten Sets noch kommen würde. Er zeigte mir auch, wo man im Wasser sitzen sollte. Nicht lange nach den Worten der Weisheit droppte ich in diese 8ft-Welle, die sich schnell zu einer 12-Fuß-Wand auftürmte und dabei so viel Wasser vom Grund saugte, dass ich fast über die Lippe gezogen wurde.

Irgendwie schaffte ich es, unter dieses Ding zu kommen und mich auf die Barrel meines Lebens vorzubereiten. Mein Wasserfilmer Gastao grölte vor Begeisterung, dass wir beide einen solchen Moment an einem solchen Ort teilen durften. Die Session war vorbei, wir begannen unsere Rückreise. Raus aus dem Wasser, die Klippe hoch und zum nächstgelegenen Bahnhof in Richtung Dublin. Ich konnte nicht glauben, dass unsere Reise zu Ende ging, sie erschien wie ein Traum. So viele Menschen, so viele Erfahrungen so viele Wellen. Es war nicht immer einfach, aber es hat sich gelohnt.

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