Im Gespräch mit Jonas Deichmann nach seinem Projekt TRANS AMERICA TWICE
Jonas Deichmann steht mittlerweile nicht nur mit seinem Spitznamen «deutscher Forrest Gump» für extreme Abenteuer, sondern ist auch ein echtes Vorbild für alle Sportler, die ihr Träume verfolgen.
Bei seinem letzten Projekt TRANS AMERICA TWICE ging es von New York nach Los Angeles mit dem Fahrrad und dann zu Fuß wieder zurück. Hierbei hat er im Schnitt einen Ultramarathon pro Tag zurückgelegt. Wie sich solch eine Tortur überstehen lässt, hat er als einer der Top-Speaker auf der ISPO Munich 23 vorgetragen. Wir durften ihn nach der Show noch interviewen.
Hallo Jonas, schön Dich hier in München so kurz nach Deinem TRANS AMERICA TWICE Projekt treffen zu dürfen. Seit wann bist Du wieder zurück?
Servus zusammen, ich bin jetzt seit vier Wochen wieder zurück aus den USA. Nach 100 Ultra Marathons durch Amerika. Jetzt bin ich hier wieder frisch und munter auf Tour mit Vorträgen, Medienanfragen und so weiter.
Wie verarbeitet man so ein Abenteuer körperlich, also so eine lange Ausdauerstrecke?
Also ich merke, dass meine Erholungszeit jedes Jahr ein bisschen kürzer wird. Der Körper passt sich an diese extreme Belastung an. Ich fühle mich jetzt schon wieder richtig gut. In den letzten Wochen habe ich einfach ganz locker Sport gemacht. Das heißt mal eine Stunde mit dem Bike in den Wald und ein bisschen schwimmen gehen, viel Sauna usw. Ich muss mich aber wirklich bremsen, weil mir wird schnell langweilig, wenn ich keinen Sport mache. Ich mache einfach unglaublich gern Sport, aber ich habe mir tatsächlich fünf Wochen Pause auferlegt. Ich möchte fünf Wochen wirklich nicht mehr als zehn Kilometer laufen gehen, um einfach dem Körper mal die Zeit zu geben, sich zu erholen, gerade auch, weil ich nächstes Jahr wieder was Großes geplant habe. Aber das ist noch geheim.
Hattest Du auf der Reise nie körperliche Beschwerden?
Also, ich habe jetzt keine riesigen Probleme gehabt. Die Hitze mit fast 50 Grad war schon ganz schön heftig, aber ich musste dann einfach öfter trinken und ein bisschen in den Schatten. Beim Laufen waren die ersten vier Tage recht hart, weil ich ja vorher einen Monat lang gar nicht gerannt bin. Dann läuft man los und hat einfach direkt einen Marathon pro Tag. Da tut schon alles weh am Abend, aber der Körper passt sich an, und bei mir hat es vier Tage gedauert, dann bin ich die nächsten 40, 50 Ultras wirklich ohne irgendwelche Beschwerden gelaufen.
An zwei Tagen hatte ich mit dem Knöchel ein bisschen Beschwerden, aber musste keine größeren Pausen einlegen. Ich mache eigentlich keine Ruhetage, ich bin einen 54 Kilometer Tagesschnitt gelaufen. In Missouri war es landschaftlich relativ monoton. Da geht’s immer schnurgerade aus durch Felder. Da bin ich dann etwas weiter gelaufen und hatte am Ende einen 58er-Tagesschnitt für eine Woche. Dann ist auch tatsächlich mein rechter Knöchel so ein bisschen angeschwollen und so habe ich zwei Erholungstage gemacht. Ich bin dann jeweils 48 km gelaufen. Das klingt jetzt immer noch relativ weit, also mehr als ein Marathon, aber es sind trotzdem zehn Kilometer weniger als die Woche davor und das hat ausgereicht, um dem Körper ein bisschen Regulation zu geben.
Das klingt wirklich unglaublich. Meinst Du, dass man das auch als “normaler” Sportler hinbekommt?
Wahrscheinlich nicht unbedingt in der Zeit, aber ja klar. Bei 50 Grad sollte man seinen Körper und die Grenzen kennen, aber ein sportlicher Normalverbraucher würde das prinzipiell schon hinbekommen.
Ich bin auch der festen Überzeugung, dass jeder gesunde Mensch morgen einen Marathon laufen könnte.
Vielleicht nicht in drei Stunden, aber dann halt in sechs. Man muss es einfach machen und man muss es wollen.
Beim Laufen muss man sicherlich etwas vorsichtiger sein, aber prinzipiell kann jeder durch ein Land wie die USA radeln.
Vielleicht nicht gerade im Sommer durch die Wüste, aber am Ende ist es viel Kopfsache. Das Limit ist quasi von jedem selbst definiert.
Erzähl uns bitte mal, wie Du Dich mental auf so ein Projekt vorbereitest.
Ja, also für mich ist 95 % Kopfsache und ich arbeite extrem viel mit Visualisierungen. Das heißt, dass ich die Ankunft in New York schon bildlich vor Augen habe und mir gewisse Zwischenziele setze.
Wenn ich beispielsweise weiß, dass ich in ein paar Tagen an einen spektakulären Ort komme, dann habe ich das bildlich vor Augen und das motiviert mich ungemein.
Wie schon erwähnt waren die ersten vier Ultras wirklich schmerzhaft, und wenn du dann denkst: Hey, du hast jetzt drei gemacht und bist am Humpeln und 97 kommen noch, ist das nicht so geil. Aber ich denke dann an die nächsten zehn Kilometer. Da ist eine Tankstelle oder ein Supermarkt und dann kannst du dir ein Eis kaufen und eine kalte Cola trinken. Das ist geil und ist nicht so weit weg und dann geht es so weiter und dann kommt das nächste und das nächste. du hast zwar diese große Vision, aber du lässt dich auch nicht davon entmutigen.
Wenn es besonders hart wird, dann gibt es knallharte Disziplin. Wenn es Tage sind, wo es wirklich schwer ist, dann habe ich Regeln und die werden auch nicht gebrochen. Beispielsweise bin ich 2020 mit Fahrrad im Winter durch Sibirien geradelt. Wenn du da dann morgens aus dem Zelt rausgehst, in deine steif gefrorenen Schuhe rein und losfährst, dann macht das keinen Spaß.
Aber ich muss es ja machen, es ändert ja auch nichts, wenn ich da bleibe. Also meine Situation wäre nicht besser, wenn ich einfach liegen bleibe. Ich stelle mir dann einen Wecker und wenn er klingelt, dann gehe ich raus. Ganz egal, ob ich will oder nicht.
Was genau geht Dir so durch den Kopf, wenn Du alleine so lange Strecken machst?
Man muss natürlich mit sich allein sein können. Das steht außer Frage. Also manchmal bin ich einfach im Flow, und da genießt man den Moment, die spektakuläre Landschaft um sich herum.
Da brauche ich auch keine Ablenkung. Da brauche ich keine Musik, da bin ich einfach in dem Moment und es ist wunderschön. Dann gibt es natürlich auch Momente, wie der Lauf durch Kansas – da bin ich drei Wochen schnurgerade durch Felder gerannt. Das war der monotonste Ort, an dem ich in meinem Leben je gewesen bin. Da bist du nicht die ganze Zeit im Flow, das ist einfach nur langweilig. Aber danach weißt du, was du willst im Leben!
Also ich denke dann über alles nach. Ich plane meine nächsten Projekte. Wenn du also mal nicht weißt, was du mit deinem Leben anfangen sollst, dann renne durch Kansas und du kommst zurück und hast ganz viele Ideen. Und wenn es mal ganz langweilig wird, dann höre ich Podcasts und Musik natürlich. Ich habe ein paar Songs, die mich unheimlich motivieren.
Das ist ja witzig, da Du auch in Südamerika als “German Forrest Gump” getauft wurdest oder?
Ja. Das war immer mein Lieblingsfilm in der Kindheit. Ich habe mir natürlich auch so eine Bubba Gump Mütze gekauft und aufgesetzt, aber der Name wurde von den Medien aufgegriffen. Den habe ich mir nicht selber gegeben, sondern der kam letztendlich, als ich durch Mexiko gerannt bin.
Eine gewisse Ähnlichkeit ist auch nicht abzustreiten 😉 Nachdem wir jetzt wissen, dass es extrem eintönige Passagen in Amerika gibt, wurdest Du auch von einigen Regionen positiv überrascht?
Klar, also es gibt in den USA die schönsten Landschaften, die ich je gesehen habe. Wenn du die Rocky Mountains erreichst, ist alles spektakulär, ganz egal, ob du in Colorado oder Utah, Arizona, Kalifornien oder Oregon bist. Das ist alles spektakulär. Nur eben der Mittlere Westen nicht so.
Du stellst bei Deinen Projekten auch regelmäßig Rekorde auf. Ist das eher ein Zufall oder geplant?
Ich bin nicht auf Rekordjagd, aber ich habe einfach nicht mehr Zeit gebraucht. Für mich ist ein Rekord am Ende ein Bonus und schön zu haben, aber mir ist es tatsächlich nicht so wichtig. Was für mich wirklich zählt, sind letztendlich die Erlebnisse.
Du hast am Anfang des Gesprächs Pläne für ein neues Projekt erwähnt. Sind die schon spruchreif?
Also ich sage es mal so: Ich bin jetzt 36, also körperlich in den besten Jahren. Ich möchte jetzt einmal wirklich wissen, was geht.
Ich habe noch was ganz, ganz Wildes, Verrücktes geplant. Das wird mich an ganz andere Grenzen bringen, aber ist leider noch streng geheim. Ich gebe es am ersten Februar bekannt.
Wir sind sehr gespannt und freuen uns auch zu hören, dass Du mit 36 die besten Jahre noch vor Dir hast. Viele andere Sportler erzählen uns immer, dass mit 30 die Karriere zu Ende geht.
Außer Frage. Ich habe auch das Gefühl, ich werde aktuell noch stärker, ich verliere vielleicht so ein bisschen Spritzigkeit und Geschwindigkeit, aber dafür hat man mehr Erfahrung. Man wird mental stärker und mit der Erfahrung auch körperlich belastbarer. Bis Mitte 40 kann man da auf jeden Fall auf richtig starkem Niveau mithalten. Ich bin auch kein Leistungssportler, sondern ich verbinde Leistungssport und Abenteuer. Ich bin eher auf der Abenteurer-Seite und solange ich da kreativ bin und immer neue Projekte finde, die die Leute begeistern, muss ja nicht immer ein Geschwindigkeitsrekord sein.
Ob ich jetzt oder in zehn Jahren noch mit einem 35-Jährigen mithalten kann, weiß ich nicht, aber das muss ja auch nicht so sein. Ich kann auch einfach Expeditionen machen und das auch mit 60, solange ich da einfach kreativ sein kann und fit bleibe.
Ja super, das nimmt sicher vielen älteren Lesern und mir auch die Angst vor dem älter werden;) Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg. Wir freuen uns auf Dein neues Projekt, was wir hoffentlich medial begleiten dürfen.
Hier geht es zu unserem Podcast mit Jonas Deichmann
Wer jetzt mehr von Jonas und seiner Reise durch Amerika erfahren möchte, sollte sich das neue Buch “Crossing America: Auf dem Rad von New York nach Los Angeles und zurück in 100 Ultramarathons” holen.
Header Foto: Christoph Raithel
Der Abenteurer und mehrfache Weltrekordhalter Jonas Deichmann steht vor seiner bisher größten Herausforderung: der „Challenge 120“.
Das Ziel seines neuen Projektes ist es,...
TRANS AMERICA TWICE! Der Film zu Deichmanns letztem Projekt ist online! Außerdem haben wir mit Jonas in unserem neuen Podcast über sein Abenteuer gesprochen!
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