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Robert Marc Lehmann

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Robert Marc Lehmann: „Ich schenke Tieren heute Freiheit – früher habe ich sie ihnen genommen“

Hass, Druck, Anwälte und gefährliche Expeditionen: Tierschützer und Umweltaktivist Robert Marc Lehmann über das, was viele vergessen - und die Spuren, die bleiben.

Robert Marc Lehmann (Foto: Christian Lehnen)

Robert Marc Lehmann ist Meeresbiologe, Forschungstaucher, preisgekrönter Fotograf, Bestsellerautor und einer der lautesten Stimmen im Natur- und Tierschutz. Ob bei Undercover-Missionen mit Ex-Militärs im Regenwald oder Expeditionen im Kampf gegen Umweltkriminalität – er will wiedergutmachen, was er früher falsch gemacht hat.

Jetzt hat er für seine Verdienste den 21st Century Adventurer Award 2025 gewonnen. Ein Gespräch über das, was hinter den Kameras, Auszeichnungen und Social-Media-Posts oft unsichtbar bleibt.

Robert Marc Lehmann
©Robert Marc Lehmann

Moin Robert. Wenn dich jemand im Zug fragt, was du eigentlich so machst, was antwortest du?

Ich sage gern: Bankberater. Dann ist meistens sofort Ruhe, und ich muss mit niemandem reden. Ich hasse es nämlich, über mich selbst zu sprechen (lacht).

Spaß beiseite: Mein Job lässt sich im Deutschen schwer erklären. Im Englischen wäre es vielleicht „Environmental Content Creator“. Ich produziere Inhalte – Bilder, Filme, Podcasts, Bücher, Videos –, die sich alle um Natur, Umwelt und Tierschutz drehen.

Mein ursprünglicher Beruf ist Meeresbiologe. Ich habe in Kiel Zoologie, Meeresbiologie und Rechtsmedizin studiert und bin ausgebildeter Forschungstaucher. Zusätzlich habe ich als Kameramann gearbeitet – über und unter Wasser, mit der Drohne für große deutsche und internationale Formate. Ich habe eine NGO gegründet, Bücher geschrieben und einen der coolsten Shops aufgebaut.

Andere würden sagen: Ich bin einer der bekanntesten und schlagkräftigsten Umweltschützer Europas. Aber das sage ich nicht über mich selbst.


Robert Marc Lehmann

Robert Marc Lehmann (Foto: Ulrich Kunz)

War es schon immer dein Traum, Tierschützer zu werden?

Schon. Aber den Begriff „Environmental Creator“ gab es ja früher gar nicht – ich komme aus dem Osten, da hatten wir nicht mal Fernsehen oder Internet (lacht).

Aber ich wusste früh, dass ich was mit Fischen machen will. Es gibt Bilder, wie ich mit meiner Oma Fische aus einem Lexikon ausschneide und in eine Wasserschale tue. Ich hatte Aquarien, bin angeln gegangen, habe jedes Buch über Meeresbewohner verschlungen. Nach dem Zivildienst hatte ich zuerst einen Platz für Veterinärmedizin, bin dann aber nach Fuerteventura, wurde Schwimmlehrer und habe dort das Tauchen gelernt. Als ich mitbekommen habe, dass ein Finnwal in der Kieler Förde schwimmt, war für mich klar: Ich ziehe nach Kiel und werde Meeresbiologe.

Irgendwann habe ich gemerkt, dass man als Meeresbiologe nicht wirklich gut verdient, im Gegenteil, manchmal zahlt man sogar drauf, nur um irgendwo mitarbeiten zu dürfen. Also musste ich mir was überlegen, wie ich überlebe.

Ich hab mir viele Skills angeeignet – und schau, wo ich heute bin: Millionär, fahre mehrere Porsches und rette die Umwelt. Gut, das mit den Porsches und dem Millionär war Spaß. Aber das mit der Umwelt – das stimmt (lacht).


Robert Marc Lehmann

©Robert Marc Lehmann

Du hast mal in einem großen Aquarium gearbeitet – heute bist du einer der schärfsten Kritiker von Zoos und Aquarien. Was ist passiert?

Ich habe als Student in einem Aquarium in Kiel gearbeitet, mit allem, was man sich als Meeresbiologe so wünscht: Haie, Seehunde, tropische Warmwasser und heimische Kaltwasser-Tiere.

Irgendwann habe ich angefangen, die Tiere auch einzufangen. Ich war gut darin, weil ich gut tauchen konnte, Angler war, und aus der Aquaristik kam. Darüber macht man sich natürlich keine Gedanken, wenn man in den Zoo oder ins Aquarium geht und sich die Tiere anschaut. Aber die kommen ja nicht von allein dahin geschwommen – irgendwer muss sie fangen. Und das war dann halt ich. Später habe ich das Ozeaneum in Stralsund bestückt und war damals mit Mitte 20 der jüngste Aquarien-Chef der Welt.

Ich habe in meinem Leben wahrscheinlich Zehntausende Tiere aus dem Meer geholt. Viele überleben den Fang nicht, die Quarantäne oder den Transport. Und die, die es schaffen, sterben oft deutlich früher als in freier Wildbahn.

Dann kam dieser Moment: Ich stand vor einer riesigen Aquarienscheibe, hinter der all die Tiere schwammen, die ich selbst gefangen hatte – und sah ihnen im Prinzip beim Sterben zu.

Ich habe mich gefragt: Moment mal. Ich fange Tiere aus der Natur, töte sie, sperre sie ein, lasse sie leiden  – um auf die Ausbeutung der Natur hinzuweisen? Das ist doch absurd.

Also bin ich ausgestiegen. Heute bin ich der größte Kritiker des Systems, in dem ich selbst groß geworden bin.

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Robert Marc Lehmann (Foto: Britta Wahlers)

Konntest du jemanden zum Umdenken bewegen? Immerhin warst du selbst Teil dieses Systems.

Nee. Das ist, als würde ein Schlachter plötzlich Veganer werden – da sagt im Schlachthof auch keiner „Respekt“, sondern eher: „Verpiss dich, du grüner Spinner.“ So war’s bei mir auch. Ich war auf einmal der Feind. Das ist jetzt fast 18 Jahre her, da hat niemand über Tierleid, Meeresausbeutung oder Veganismus gesprochen. Zoos galten als Artenschutzzentren, nicht als Problem.

Heute ist das anders. Durch Social Media, Bücher und Aufklärung denken viele um. Und ja – inzwischen haben Hunderttausende durch meine Arbeit aufgehört, Tiere zu halten oder zu fangen. Aber das kam erst mit der Reichweite. Früher hat’s keinen interessiert, was ich zu sagen hatte.

Wie hast du es geschafft, mehr Reichweite zu bekommen – und damit auch Einfluss?

Das hat sich ergeben. Schon im Studium kamen Medien auf mich zu, weil sie spannend fanden, was ich mache. Dann gab’s erste Interviews, TV-Auftritte, irgendwann eine eigene Sendung.

Der eigentliche Durchbruch kam erst vor viereinhalb Jahren – also ziemlich spät. Da habe ich plötzlich gemerkt: Moment mal – Fernsehen ist ja völliger Quatsch. Es gibt keine Kommentarfunktion, keinen Teilen-Button, keinen Spendenlink, keinen Austausch mit den Zuschauern – nichts.

Dann bin ich auf Social Media umgestiegen und habe dasselbe erzählt, wie schon vor 15 Jahren. Heute kann ich mit einem Post in 24 Stunden eine EU-Petition mit über einer Million Unterschriften füllen. Das ist schon sehr krass.


Robert Marc Lehmann

© Robert Marc Lehmann

Respekt! Wie sieht ein typischer Alltag bei dir aus? Gibt’s den überhaupt?

Gibt’s nicht. Heute sitze ich den ganzen Tag in Interviews, bekomme abends einen Preis, muss nachts noch weiterfahren, weil morgen früh die nächste Tierrettung ansteht.

Mal bin ich im Office, mal auf Expedition, mal im Flugzeug. Dann pflanze ich Bäume, berge Geisternetze, stehe vor Gericht, spreche mit Anwälten, bin auf Undercover-Mission, arbeite an meinem Shop, schreibe mein nächstes Buch oder poste etwas auf Social Media.

Ich arbeite meistens 17 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, ohne Urlaub. Und das seit Jahren. Ich habe sechs Jobs gleichzeitig: Ich leite eine NGO, betreibe einen gut laufenden Shop, mache Social Media, schreibe Bücher, arbeite nach wie vor als Kameramann – und manage alles irgendwie parallel. Dabei ist ein großer Teil meiner Arbeit ehrenamtlich. Das vergessen viele gern.

Warum brauchst du Anwälte?

Weil ich mächtigen Leuten auf die Füße trete. Ich zeige, was mit Tieren passiert – legal oder illegal. Wenn du Großkonzerne oder Tierquäler öffentlich bloßstellst, finden die das in der Regel nicht so cool. Da kommen schnell Klagen rein. Ob Schweinezucht, Aquaristikhandel oder Umweltverbrecher – die wehren sich natürlich.

Aktuell wird zum Beispiel eine Tierschützerin in Deutschland zu fast 100.000 Euro Strafe verurteilt, weil sie die CO₂-Betäubung von Schweinen in einem Schlachthof öffentlich gemacht hat. Das ist ein Skandal, das erste Mal in Deutschland, dass jemand verurteilt wurde, weil er Tierleid aufgedeckt hat. Absolut irre – und ein Armutszeugnis für unsere aktuelle Politik.

Ich selbst habe nicht viel zu verlieren, außer meinen Ruf. Aber ich gefährde mit meinen Recherchen das Geschäftsmodell dieser Leute. Deshalb habe ich auch mal eine ganz gute Anwaltsrechnung – aber zum Glück auch sehr gute Anwälte.

Robert Marc Lehmann
Foto: Sarah Gauthier

Welches deiner Projekte hat dich bisher emotional am meisten mitgenommen?

Schwer zu sagen – jedes Projekt berührt mich auf eine andere Weise. Es ist natürlich ein unfassbares Gefühl, wenn ich an Orte komme, an denen meine Community und ich Hunderttausende, manchmal Millionen Quadratmeter Regenwald geschützt haben. Wenn du da mitten im Wald stehst und weißt: “Der bleibt – für immer”, dann ist das schon richtig stark. Aber genauso emotional ist es, wenn du am Rand dieses Schutzgebiets stehst, wo wieder abgeholzt wird.

Emotional ist für mich immer der Moment, wenn eine Mission vorbei ist, ich das ganze Team heil wieder nach Hause gebracht habe und keiner gebissen oder verletzt wurde. Ich trage da eine enorme Verantwortung, denn unsere internationalen Einsätze sind nicht ohne.

Wir geraten an Umweltkriminelle, die mit Schusswaffen, Macheten oder anderen Waffen unterwegs sind. Wir bewegen uns in Gegenden, in denen es giftige Schlangen gibt, in denen ein medizinischer Notfall schnell tödlich enden kann – weil keine Hilfe kommt.

Aber am meisten berührt es mich, wenn wir einem Tier die Freiheit zurückgeben. Ganz egal, ob es ein Vogel wie der Bali Star ist oder ein Affe, der jahrelang gequält wurde – für Shows, für Videos, als Tanzaffe. Wenn du so ein Tier über zwei Jahre auf ein Leben in der Wildnis vorbereitest – und es dann mit seiner neuen Familie freilassen kannst… Das ist der Moment, der ALLES wert ist.

Robert Marc Lehmann
© Robert Marc Lehmann www.NoseBrokeProductions.com

© Robert Marc Lehmann

In wie vielen Ländern warst du schon für deine Expeditionen und welches Land hat dich am meisten fasziniert?

Mittlerweile war ich schon in 132 Ländern. Ozean, Dschungel, Antarktis… das hat alles seinen Reiz. Aber es gibt schon ein paar Orte, die besonders hängen bleiben. Die Antarktis zum Beispiel – komplett surreal. Argentinien liebe ich auch, Peru sowieso – Regenwald! Kanada mit seinem Küstenregenwald ist auch richtig stark. Und der Ozean vor den Azoren? Ein Traum.

Aber was sich mit den Jahren geändert hat: Ich merke mit 42 zunehmend – verdammt, ich werde gar nicht mehr alles auf diesem Planeten sehen können. Es gibt noch so viele unglaubliche Orte, so viele Tiere, die ich retten will, Projekte, die ich gerne machen würde, Menschen, die meine Hilfe brauchen… aber dafür reicht die Zeit einfach nicht mehr.

Was ich mache, ist ja nicht nur mental, sondern auch körperlich extrem fordernd. Ein Profi-Athlet geht mit 32 Jahren in Rente, Spezialeinheiten vom Militär hören mit 40 auf – und ich bin 42. Im Grunde unterscheidet uns alle wenig …

Was ist bei deiner Arbeit besonders herausfordernd?

Was wir machen, ist Hardcore für den Körper. Expeditionen mit Nahrungs- und Schlafmangel, Parasiten, Verletzungen – das ist für den Körper die absolute Hölle.

Was man von Umweltschützern oder einem Meeresbiologen wie mir nicht erwartet: Wir sind oft wochenlang oder sogar monatelang in scharfen Einsätzen unterwegs. Da trifft man auf Menschen mit Waffen und trägt selbst Waffen.

Dabei kannst du dein Leben verlieren, durch Umweltkriminelle oder einen Unfall oder eine Giftschlange. Das ist schon sehr herausfordernd und hinterlässt Spuren – sowohl körperlich als auch mental.

Robert Marc Lehmann
Robert Marc Lehmann (Foto: Richard Sidey)

Wie verarbeitet ihr diese Erfahrungen?

Gar nicht. Da hast du keine Zeit für. Ich hangle mich seit Jahren von Mission zu Mission, ohne dazwischen wirklich innezuhalten und zu reflektieren. Meistens bist du gerade erst von einer Mission zurück, packst um, wechselst Equipment und bist direkt wieder auf dem nächsten Einsatz – teilweise wochen- oder monatelang. Wir schuften manchmal 130 Stunden die Woche – und wir reden hier von Einsätzen unter Lebensgefahr, mitten im Dschungel oder an anderen extremen Orten. Es ist unfassbar fordernd, körperlich und mental. Ich merke, dass ich das heute nicht mehr so stemmen kann wie mit 35.

Wie bereitest du dich auf solche Extremsituationen vor?

Wir planen alles extrem detailliert. Jedes Land, jede Aufgabe bringt andere Herausforderungen mit sich. Geht’s darum, Tiere freizulassen? Muss ich viel zu Fuß zurücklegen? Ist es ein Undercover-Einsatz? Ich kann da nicht allzu sehr ins Detail gehen – sonst verrate ich Methoden, mit denen ich Umweltkriminelle unter Druck setzte oder sie im besten Fall vor Gericht bringe.

Ich habe früher viel mit Ex-Militärs gearbeitet, hab mir von Profis abgeschaut, was funktioniert – und was nicht. Ich bin umfassend ausgebildet – unter anderem in Erster Hilfe unter Extrembedingungen. Mein Team ist ebenfalls gut vorbereitet, denn wir bewegen uns oft in Gegenden, wo es keine medizinische Versorgung gibt. Wenn da jemand gebissen wird, musst du ihn eventuell zwei Tage stabil halten oder dutzende Kilometer durch den Dschungel tragen.

Zur Vorbereitung gehört alles – von körperlicher Fitness über detaillierte Routenplanung bis hin zur Ausrüstung, Satellitentelefon, Antiserum oder Schlangenwissen. Ich selbst muss jedes Jahr (seit 22 Jahren) die sogenannte G31 bestehen – das ist eine Untersuchung wie für Kampfschwimmer-, Minentaucher- und U-Boot-Fahrer. Fällst du da in nur einem Punkt durch, war’s das mit der körperlichen Eignung für solch extreme Expeditionen oder anspruchsvolle Tauchgänge. Ich gefährde dann nämlich nicht nur mich, sondern auch mein Team.

Robert Marc Lehmann

Foto: Sarah Gauthier

Wie wählst du dein Team aus?

Sehr sorgfältig. Da zählen nicht nur Fähigkeiten, sondern auch ganz praktische Dinge. Jemand mit 120 Kilo Körpergewicht – den bekommst du im Notfall nicht aus dem Dschungel. Es nützt mir gar nichts, auf Diversität zu achten und drei Frauen im Team zu haben, die mich im Falle eines Falles nicht raustragen können. So ist es leider.

Unser wichtigstes Prinzip ist lösungsorientiertes Denken. Wir reden nicht lange über Probleme – wir suchen nach Lösungen. Das klingt simpel, ist aber selten und sehr schwer zu finden.

Viele gehen nach dem Motto „Wird schon gut gehen”. Ich gehe lieber nach dem Motto: „Wenn ich vorher jedes Risiko minimiere, kann ich mich auf das konzentrieren, was ich gut kann – nämlich Tiere retten und Umwelt schützen.“

Fakt ist: Was wir machen, erfordert wahnsinnig viele Skills, Mut, Erfahrung, Vorbereitung, körperliche Fitness, eine hohes Intelligenz-Level, Pragmatismus, Wissen und Geld. Du darfst dir in keinem Bereich Schwächen erlauben – weil es sonst im Ernstfall richtig unangenehm wird. Und der Ernstfall kommt sowieso. Früher oder später.

Was war die extremste Situation, in der du je warst?

Da gibt’s viele, vor allem im Kontakt mit Menschen. Wenn du bei Anti-Wilderei-Missionen oder im Kampf gegen illegalen Tierhandel direkt auf bewaffnete Umweltkriminelle triffst, wird es spannend. Ergeben sie sich? Werden sie aggressiv? Haben sie Waffen oder Tiere bei sich? Wie viele sind es überhaupt? Das sind hochriskante Situationen. Ich sag mal so: Ich mag belgische Schäferhunde. Die bringen Ruhe in solche Situationen.

Mit Sea Shepherd habe ich vor Gambia bei vier Meter hohen Wellen in der Nacht illegale Boote geentert. Ein falscher Tritt, und du fällst zwischen zwei Boote und wirst zerquetscht. Ich war auf Inseln und in Dschungeln mit der höchsten Dichte an tödlichen Giftschlangen – von Königskobras bis hin zu Pitvipern. Beim Forschungstauchen bin ich in Geisternetze geraten oder in sogenannte Downcurrents – Strömungen, die dich in die Tiefe ziehen. Einmal ist hinter uns beim Höhlentauchen ein Teil des Eingangs eingestürzt. Da denkst du: „Ich komme hier nicht mehr lebend raus.“ Aber bis jetzt hat das „Spaghetti-Monster“ da oben offenbar gut auf mich aufgepasst.

Aber am gefährlichsten finde ich immer noch den deutschen Straßenverkehr oder die Großstadt (lacht).

Robert Marc Lehmann

Robert Marc Lehmann

Was liebst du am meisten an deinem Job?

Wenn ich heute etwas wiedergutmachen kann, was ich früher verkackt habe. Ich habe früher so viele Tiere gefangen und ihnen die Freiheit genommen. Heute liebe ich es am meisten, den Käfig zu öffnen. Dieser Moment, wenn ein Tier wieder in die Freiheit darf – das ist der schönste Teil meiner Arbeit.

Was hasst du an deinem Job?

Mücken, Zecken, hohe Temperaturen, Darmparasiten, Langstreckenflüge in der Economy, Giftschlangen, schlechte Hotels, schlechtes Essen, Wasser ohne Sprudel. Nur weil du die Expedition überlebt hast, heißt es nicht, dass es vorbei ist. Da gibt es Giardien oder Yersinien, also Infektion des Magen-Darm-Traktes. Und du verlierst in zwei Wochen an Gewicht, Muskulatur und Energie, was du in sechs Monaten aufgebaut hast.

Gab es Momente, in denen du deine Arbeit infrage gestellt hast?

Jeden Tag. Nicht, weil ich an meiner inneren Überzeugung zweifle. Aber ich kann mich schlecht von außen abgrenzen. Millionen Menschen folgen mir online – das bedeutet auch, ich bin jeden Tag ihren Meinungen ausgesetzt. Und da ist viel Gegenwind dabei.

Viele Menschen finden nicht gut, was ich tue, weil ich Missstände benenne. Ich werde beschimpft als „links-grün-versiffter Drecks-Veganer“, als jemand, der ihnen was wegnehmen will. Die Reptilienhalter hassen mich, die Aquarienfreunde, die Zoos, die Schweinezüchter, die Grillfreunde, die Holzindustrie.

Ich bin keine NGO. Ich bin eine Einzelperson. Hass trifft mich persönlich und direkt. Und das geht über viele Jahre nicht spurlos an dir vorbei. Auch körperliche Bedrohungen oder Morddrohungen, gegen mich. Und das ist ein Scheißgefühl. Gerade wenn du eigentlich versuchst, die Welt besser zu machen – auch für die, die dich hassen. Dazu kommen gezielte Lügen, Diffamierungen und Fake-Beiträge. Das Internet ist groß und undankbar.

Robert Marc Lehmann
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Wie gehst du mit Hass um?

Manchmal gibt es Tage, da juckt mich das nicht und dann gibt es Tage, da trifft es mich brutal. Es gibt Menschen, die behaupten ständig, ich sei gar kein Meeresbiologe, hätte nie studiert. Da will ich am liebsten meinen alten Professor anrufen oder direkt zur Uni in Kiel fahren, ein Video drehen und es ins Netz stellen – als Beweis. Aber selbst dann würden einige sagen: ‚Das ist KI‘ oder ‚Alles fake‘. Als Person des öffentlichen Lebens bist du all dem ausgesetzt. Dann heißt es oft: „Naja, du bist ja freiwillig öffentlich – dann musst du das Aushalten.“

Aber wenn du Morddrohungen bekommst, dann reagiert keiner. Dann kommt nicht die Polizei und stellt sich 24/7 vor deine Tür.

Da kannst du zehnmal sagen: ‚Hass im Internet, wir gehen dagegen vor, das zeige ich an.‘ Und dann? Der Anwalt verschickt eine Anzeige. Und wenn die Gegenseite dann sagt: ‚War ich nicht, bin mittellos‘, bleibst du auf den Kosten sitzen. Heißt: Jemand droht dir mit dem Tod – und du zahlst am Ende ein paar Tausend Euro dafür. Und hast rein gar nichts erreicht. Im Gegenteil: Man hat seine wertvolle  Zeit mit Negativität verbracht und viel Geld verloren.

Was macht der ganze Druck mit dir?

Mein Kopf läuft 18 Stunden am Tag auf Hochtouren, immer um dieselben Themen – gequälte Tiere, zerstörte Lebensräume, Umweltkriminalität. Es ist nichts schön daran. Ich würde mir manchmal wünschen, mein Gehirn würde sich einfach mal um etwas Banales drehen – Essen gehen mit Freunden, eine Tomatenpflanze, die ich beim Wachsen beobachte, oder ein Auto, das ich mir konfiguriere.

Aber stattdessen bekomme ich täglich tausende Nachrichten: „Wenn du heute nicht hilfst, sterben diese Tiere.“ Der Druck ist brutal.

Und das alles konzentriert sich nicht auf eine große NGO mit einem Team im Rücken, sondern auf mich allein. Aber ich sitze vielleicht gerade im Interview, und kann nicht helfen – und weiß gleichzeitig, dass diese Tiere in dem Moment sterben. Und das passiert nicht einmal, das passiert jeden Tag.

Alle feiern den Moment, wenn der Käfig aufgeht und der Vogel davonfliegt. Was kaum jemand sieht, sind die 99,9 Prozent davor – die zähen, stillen, oft schmerzhaften Prozesse im Hintergrund. Dafür spendet niemand.

Robert Marc Lehmann

Foto: Sarah Gauthier

Was machst du bei Rückschlägen?

Tatsächlich haben bisher alle Missionen am Ende funktioniert – einfach, weil ich das seit über 20 Jahren mache, extrem gut vorbereite, und weil mein Team und ich unglaublich flexibel sind. Natürlich läuft selten alles nach Plan.

Bei einer unserer letzten Aktionen wollten wir ein Geisternetz vor Rügen bergen. Alles war perfekt vorbereitet – Team, Boot, Ausrüstung. Dann wird das Wetter plötzlich schlecht, das Netz klemmt, hängt an einer 500-Kilo-Kette, wir bekommen es nicht ins Boot. Zeitdruck, Strömung, Dunkelheit. Dann starte ich einen Aufruf über Social Media, und 30 Leute aus der Community kommen. Gemeinsam ziehen wir das Netz raus. Statt der geplanten drei Tage dauert es sechs, und statt sechs Leuten brauchen wir 40 – aber am Ende ist das Netz draußen.

Wenn etwas scheitert, liegt es meistens an Menschen: Behörden, fehlende Genehmigungen, politische Grenzen, Missgunst, Neid. Aber wenn etwas nicht klappt, dann verschwende ich keine Energie auf Dinge, die ich nicht ändern kann – ich investiere sie dahin, wo es vorwärts geht und nehme ein neues Projekt in Angriff, was funktioniert.

Robert Marc Lehmann
Robert Marc Lehmann

Was motiviert dich, trotz allem weiterzumachen?

Die Erfolge. 100 freigelassene Tiere, eine Art, deren Bestand ich innerhalb eines Jahres um 10 Prozent weltweit steigern konnte, oder eine Million Quadratmeter Regenwald, die wir an nur einem Tag geschützt haben. Letztes Jahr haben wir in der Grundlagenforschung bei Haien einen großen Fortschritt gemacht: Wir konnten sie erstmals erfolgreich besendern, ohne sie zu verletzen. So klein die Erfolge auch scheinen mögen, du arbeitest oft jahrelang auf eine Minute hin, die dann erfolgreich ist. Aber das motiviert mich und lässt mich weitermachen.

Hast du ein Mantra?

Ja. “Die Welt ist es wert, um sie zu kämpfen”. Das begleitet mich schon ewig. Ich habe so viele wunderschöne Orte gesehen – die erhalten werden müssen. Für alle. Auch für die Leute, die mich hassen.

Robert Marc Lehmann
Robert Marc Lehmann

Was würdest du deinem Jüngeren Ich raten?

Ich würde meinem jüngeren Ich vor allem raten: Durchhalten, am Ende wird alles gut! Viele haben mich ausgenutzt und mir wehgetan, deshalb würde ich mir auch raten: Sei laut und nimm nicht alles einfach so hin!

Hast du noch einen Traum?

Ja, ich würde unglaublich gern einmal einen weißen Hai in echt sehen. Bisher hat mich keine Expedition dorthin geführt, und privat mache ich keine klassischen Tierbeobachtungsreisen. Aber einen weißen Hai zu erleben, das fehlt mir noch. Ich habe eine riesige Liste und die ist irgendwann so groß geworden, dass ich sie in meiner Lebenszeit unmöglich abhaken kann.

Wo siehst du dich in 20 Jahren?

Auf einem Schaukelstuhl auf einer kleinen Veranda, umgeben von Tomatenpflanzen und meinem eigenen Teich, in dem gerettete Kois schwimmen. Zwischen meinen inzwischen ordentlich gewachsenen Bäumen hängt eine Hängematte, in der Küche steht eine richtig teure, zischende Espressomaschine, die ewig zum Saubermachen braucht und ich komm gerade aus meinem selbstgebauten Fitnessstudio – so Ghetto-Fitness–mäßig, und bin immer noch topfit. Ohne irgendeinen Scheißkrebs, der mich schon dahingerafft hat. Und mit einem klassischen Porsche, den ich mir jeden Tag anschaue. Da sehe ich mich. 🙂

Glaubst du, dass du irgendwann “ in Rente” gehst?

Wenn ich lernen könnte, wie das geht – Pause machen, zur Ruhe kommen, den Kopf ausschalten – das wäre schon ziemlich toll.

Robert Marc Lehmann

©RML

Welches Tier findest du am faszinierendsten?

Am coolsten finde ich Orcas. Über die entdeckt man ständig neue, verblüffende Dinge – zum Beispiel, dass sie Menschen Nahrung anbieten, um deren Reaktion zu beobachten, oder dass sie Werkzeuge benutzen. Das würdest du einem Wal erstmal gar nicht zutrauen.

An Land finde ich Schweine unglaublich faszinierend. Die sind extrem intelligent, sozial und haben so viel mehr drauf, als viele denken. Leider werden sie bis heute massiv unterschätzt – und gegessen. Das finde ich sehr schade.

Drei Dinge, die du auf jeder Expedition dabeihast?

Messer, Taschenlampe, Handy.

Ein Land, das du noch sehen willst?

Kamtschatka – aber Russland ist erstmal off the record. Leider.

Jetzt hast du den 21st Century Adventurer Award 2025 gewonnen. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?

Ganz ehrlich: So ein Award klingt erstmal toll. Und ich will das auch gar nicht kleinreden – es ist eine Form der Wertschätzung und Anerkennung. Aber mir persönlich bedeutet das heute nicht mehr so viel. Ich freue mich trotzdem, weil ich das Preisgeld sinnvoll einsetzen kann. Es geht komplett an meine NGO. Jeder Euro fließt in den Schutz von Tieren und Lebensräumen.

Was mir wirklich etwas bedeutet? Wenn ich es schaffe, Fehler aus der Vergangenheit wiedergutzumachen. Wenn ich Tiere rette und Wälder schütze. Wenn ich zehn Schweine vor dem Tod bewahre oder zehn Vögel freilassen kann – das ist der Moment, auf den ich stolz bin.

Robert Marc Lehmann
Robert Marc Lehmann

Was steht als Nächstes an?

Bäume pflanzen und eine Region renaturieren. Eine große Umwelt- und Tierschutzkonferenz. Parallel laufen Vorbereitungen für die nächste Geisternetz-Bergung, und mein Kalender ist für die nächsten drei Jahre mit Expeditionen und zwei großen Undercover-Projekten ziemlich voll. Was genau da passiert, erfahrt ihr – wie der Name schon sagt – erst in ein paar Jahren.

*PS: Als wir dieses Interview führen, werden 12 gesunde, geschützte und bedrohte Paviane im Nürnberger Tiergarten getötet, aus “Platzmangel” und Robert fährt nicht wie geplant zur nächsten Tierrettung sondern legt für jeden getöteten Pavian eine Rose vorm Zoo nieder. Monatelang hat er versucht, diese Tiere zu retten, denn es gab Alternativen zur Tötung. Es sind allerdings noch 8 Tiere am Leben und Robert ist stur …


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