Das Thema „Flow“ scheint bei dir sehr zentral zu sein. Es taucht immer wieder auf – auf deiner Website, in deinen Vorträgen und Büchern. Warum ist Flow für dich so wichtig?
Ich bin kein Wettkampfathlet. Deshalb habe ich mich gefragt, was für mich das Spannende am Mountainbiken ist. Was hält diese Leidenschaft so am Brennen?
Dabei bin ich auf die Wissenschaft hinter dem Begriff „Flow“ gestoßen. Er kommt aus der positiven Psychologie der 70er-Jahre und beschreibt diesen Bewusstseinszustand, den wir alle kennen: Wenn du voll vertieft bist in eine Tätigkeit, die Zeit vergisst und komplett im Moment aufgehst. Das kann beim Schreiben, beim Filmschnitt oder sogar beim Spülen passieren.
Ich erkläre Flow anhand meines Mountainbikens – was passieren muss, damit er entsteht.
Und was sind die Voraussetzungen für Flow?
Das Wichtigste ist, Störquellen auszuschalten. Wenn du abgelenkt wirst, kann Flow nicht entstehen. Dann brauchst du eine Herausforderung, die genau zu deinen Fähigkeiten passt – also nicht zu schwer, aber auch nicht zu einfach. Und du musst motiviert sein.
Wenn Herausforderung, Fähigkeiten und Motivation im Gleichgewicht sind, kann Flow entstehen.
Hat Flow etwas mit Adrenalin zu tun?
Nein, Flow ist nicht das Gleiche wie eine Nahtoderfahrung. Im Flow bist du komplett im Tun und hast das Gefühl, alles positiv zu bewältigen.
Biochemisch passiert im Flow etwas anderes als bei Adrenalin-Kicks: Es werden hauptsächlich Endorphine ausgeschüttet, nicht Adrenalin. Adrenalin hat oft etwas mit Stress zu tun. Ich hatte mal einen krassen Autounfall, wo ich einen Adrenalinschub meines Lebens hatte – das war nicht geil. Sonst hätte ich wahrscheinlich mehr Lust auf Autounfälle.
Aber für Außenstehende sieht dein Sport oft sehr gefährlich aus.
Ja, aber ich habe mich Schritt für Schritt dahin gearbeitet. Was für Außenstehende extrem aussieht, liegt in meinem Komfortbereich.
Viele Leute, die zum ersten Mal in einen Bikepark gehen, sind oft gefährlicher unterwegs als ich. Ich mache das seit 25 Jahren und weiß genau, was ich tue.

Besteht nicht die Gefahr, dass du durch Routine irgendwann nachlässig wirst?
Überheblichkeit ist eine echte Gefahr. Gerade wenn du positives Feedback bekommst, musst du aufpassen. Ich filme ja auch oft meine Fahrten. Da darf ich mich nicht ablenken lassen. Ich muss ganz bei mir bleiben und nicht darüber nachdenken, wie krass die Drohnenaufnahmen aussehen.
Ich habe gelernt, auf mein Bauchgefühl zu hören. Ich meditiere viel und beobachte mich selbst genau. Manchmal merke ich, dass ich eine Strecke an einem bestimmten Tag nicht spüre. Dann höre ich darauf.
Wie gehst du damit um, wenn du Filmprojekte hast? Beeinflusst das dein Fahren?
Ich lasse mir die Fäden nicht aus der Hand nehmen. Da bin ich ein bisschen ein Kontrollfreak.
Aber ich nehme mir auch heraus zu sagen: Ich muss nicht jedes Mal ein neues Level setzen. Ich kann auch eine Geschichte erzählen, die nicht nur auf krasses Radfahren setzt.
Bei meinem Klettersteig-Film zum Beispiel habe ich 95% des Klettersteigs gefahren. Aber die 5%, die ich nicht gefahren bin, machen mich am stolzesten. Weil ich trotz Kamera und Drohne gesagt habe:
„Nee, das ist es jetzt nicht wert.“
Für mich ist Erfolg nicht, wenn ich etwas mit Glück überstehe. Erfolg ist, wenn ich bewusst entscheide, was ich tue – und auch mal absteige.
Du hast mal gesagt, dass du ein Influencer warst, bevor es Influencer gab. Wie siehst du das heute?
Ja, das ist witzig. Ich hatte ein virales Video, bevor es das Wort „viral“ gab. Aber ich sehe meinen Job nicht im klassischen Influencer-Bereich. Dieses schnelle Content-Creation und permanente Posten liegt mir nicht. Ich will lieber Geschichten erzählen, die in die Tiefe gehen – Dinge, die du in einem 15-Sekunden-Reel nicht transportieren kannst.
Ich spüre auch eine Verantwortung: Wenn Leute zu meinen Vorträgen oder Filmabenden kommen, nehmen sie sich einen Abend frei. Das ist ein großes Privileg, und dem will ich gerecht werden.