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MTB

FMB World Tour | Wie die Trick-Revolution Mountainbiken in nur zehn Jahren verändert hat

Wir haben beim Crankworx Rotorua in Neuseeland mit Semenuk, Rogatkin, Pilgrim und Rheeder diskutiert

Es war das Jahr 2007. Ben Boyko stand auf dem Podium beim Crankworx Whistler ganz oben, nachdem sein massiver 360 aus sieben Metern Höhe vom Jumbotron Drop allen die Schuhe ausgezogen hatte. Ein echter Meilenstein, von dem bis dahin noch nie jemand gehört hatte.

Aber während er den Champagner köpfte und kurze Zeit später die Headlines der Szene bestimmen sollte, war es der damals 16-jährige Local Brandon Semenuk neben ihm, der gerade mit seinem sensationellen dritten Platz die eigentliche Story abgeliefert hatte – zumindest im Nachhinein muss man das so bewerten.

Mit ziemlicher Sicherheit kann man behaupten, dass sowohl das Event selbst als auch die Skills, hier den Sieg einzufahren, Ausgangspunkt für eine Art Wiedergeburt in den folgenden Jahren bedeuten würden. Und Semenuk hat seit diesem Tag an der Spitze der Transformation gestanden.

“Crankworx steht heutzutage für Slopestyle”, erzählt er uns am Rand des Zieleinlaufes im neuseeländischen Rotorua. Die achte Goldmedaille, die gleichzeitig den Rekord bei Crankworx bedeutete, baumelt um den Hals des Kanadiers, neben ihm steht eine geleerte Flasche Schampus und ein Scheck über 20.000 Dollar liegt neben seinem Bike.

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Foto: Stuart Kenny

“Hier hat alles angefangen. Mein erstes Crankworx habe ich seinerzeit 2003 gesehen, und danach war ich angefixt. Daher kam der ursprüngliche Anreiz für mich.”

Semenuk stahl sich 2007 aufs Siegertreppchen dank seines Runs mit einem Indian Air, einem No Foot Can, einem Tailwhip, das Ganze garniert mit einer gehörigen Portion Style. Neun Jahre später musste der 25-Jährige aus Whistler deutlich mehr in die Waagschale werfen, um in Rotorua zu gewinnen.

Vorbei sind die Zeiten, als man mit 360s die MTB-Welt kurzzeitig in Schockstarre versetzen konnte, der Nerv der Zeit sind mittlerweile Cork 720s, Triple Tailwhips, die Opposite Madness sowie Step-Down Backflips. Es ist großartig zu sehen, wie sich die FMB World Tour allein in den vergangenen paar Jahren verändert hat, wenn man 2013 Champion Sam Pilgrim, der an diesem Tag in Rotorua Fünfter wird, mehr als glücklich über die Platzierung erlebt.

“Es war einfach verrückt, seit ich die World Tour gewonnen habe” sagt er uns rückblickend, mit dem unverkennbaren Signature Smile im Gesicht: “Der Fortschritt verlief rasend. Es ist fast hart, bei manchen Manövern lediglich zuzuschauen.”

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Foto: Clint Trahan

“Für mich war es schon fast normal geworden, regelmäßig Contest für mich zu entscheiden. Das ist jetzt in so weite Ferne gerückt. Zwar weiß ich, wozu ich imstande bin und was ich bringen muss, aber bei heutigen Events denke ich nur, ‘geh einfach raus und hab Spaß – und es funktioniert!'”

Sogar der der Signature Cork 720 von Semenuk wird jetzt von den Fahrern im Feld beherrscht. Wäre er nicht gewesen, sähe die Szene wohl deutlich anders aus; Jahre zurück im Vergleich dazu, was heute in Sachen Tricks und Originalität an den Tag gelegt wird.

“Ich ziehe möglichst mein Ding durch”, beschreibt es Semenuk weiter: “Ich weiß immer, was ich machen will und es gibt jederzeit Dinge, die man ein bisschen optimieren kann, wie man es am Ende ausspielt. Aber im Grunde dreht sich alles darum, genau die Nummern durchzuziehen, auf die ich im Run richtig Bock habe.

“Mir ist bewusst, dass ich meine Runs meistens so hinbiege, wie ich mir das vorstelle, aber manchmal ist man sich auch nicht sicher, wie hart andere es gleichzeitig pushen werden. Ganz sicher bedeutet es Stress. Es ist wahrscheinlich zu 90 Prozent eine mentale und nur zu 10 Prozent eine physische Geschichte, warum jemand letztendlich den Sieg holt. So lange der Körper also mitspielt, entscheidet es sich fast nur in deinem Kopf. Man muss vorbereitet sein.

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Foto: Clint Trahan

“Ich stecke sehr viele Überlegungen in meine Tricks und mir gefällt der Gedanke, dass sie wirklich meine Persönlichkeit mittels Bike ausdrücken. Ich versuche immer, alles möglichst smooth, konstant und möglichst nicht zu gezwungen aussehen zu lassen.”

Brandons scheinbar spielend leichter, fast müheloser Style, enormes technisches Talent und sein kalkulierendes Gemüt zementieren seine Position an der Spitze des Feldes, aber die Konkurrenz ist momentan enger zusammengerückt als je zuvor.

Dieser Rider jedoch hat Slopestyle am meisten weiterentwickelt, mehr als jeder andere in den letzten zehn Jahren. Ganz nebenbei drückte er auch nicht nur dem Mountainbiken seinen Stempel nachhaltig auf, sondern inspiriert seit geraumer Zeit eine neue Generation, es mit seinem Führungsanspruch aufzunehmen.

Der 23-jährige Brett Rheeder übertrumpfte Brandon bei gleich zwei der drei Crankworx-Showdowns im letzten Jahr, indem er in Rotorua und im französischen Les Deux Alpes nicht zu schlagen war, bevor sich Semenuk seine Krone in Whistler zurückholte.

Foto: Clint Trahan
Foto: Stuart Kenny
Foto: Chester Boyes

Brett landete in Rotorua in diesem Jahr nur auf dem dritten Platz, trotz eines denkwürdigen Auftritts inklusive Opposite Cork 720, den er nie zuvor versucht hatte, doch er ist stets in der Lage Events für sich zu entscheiden, sobald er antritt.

Einen Trick in entgegengesetzter Richtung zu zeigen, muss man sich wohl ungefähr so vorstellen, als versuche man seinen Namen mit der ungeübten Hand zu schreiben. Wahrscheinlich würgt man das schon irgendwie aufs Papier, aber noch wahrscheinlicher sieht schön anders aus. Den Trick auf Dirt zu landen, verdient auf jeden Fall mehr als nur Applaus. Und es ist auch ein Zeichen des Einsatzes, den man bringen muss, um auf dem Radar der Judges aufzufallen.

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Foto: Clint Trahan

“Slopestyle entwickelt sich immer weiter, wenn wir rausgehen und fahren”, stimmt auch Rheeder ein. “Der Konkurrenzkampf ist wahnsinnig und so viel wird im Kopf entschieden. Der Beste zu sein und den Rest des Feldes hinter sich zu lassen, klingt fast verrückt. Da ist sehr viel Stress involviert.” Worte, die uns bekannt vorkommen.

“Es ist aber auch, wie man es sieht. Wir sind alle hier vereint, wir sind alle gesund und wir feiern alle eine großartige Zeit. Crankworx übt solch einen immensen einen Einfluss auf den Sport aus. Ich kann es kaum erwarten, dass die Organisatoren noch weiter expandieren.”

Es gibt aber auch gegenteilige Stimmen, die behaupten, die Spins und technische Komponente beim modernen Slopestyle, wie auch der erhöhte Stresslevel, für den sich sowohl Semenuk als auch Rheeder hauptverantwortlich zeigen, gehe auch auf Kosten des Styles und der von Spaß geprägten Substanz im Kern der Disziplin.

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Foto: Chester Boyes

Aber wie Brett und Sam hervorheben und so klar es ausnahmslos zu beobachten ist, gibt es quer durch das Feld Anerkennung und Applaus für Konkurrenten, von denen die eigene Leistung zumindest kurzfristig in den Schatten gestellt wird; der Spaß hat sich hier ganz sicher nicht verflüchtigt. Und Ähnliches gilt für das Stichwort Style, der getan hat, was jedes gute Element eines progressiven Sports machen sollte; sich weiterentwickeln mit der Zeit, damit die ganze Sache interessant bleibt.

Man nehme beispielsweise den amerikanischen Youngster Nicholi Rogatkin – die perfekte Illustration eines ‘New School’ Slopestyle Mountainbikers.

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Foto: Clint Trahan

Der 19-jährige BMX-Umsteiger befindet sich noch nicht lange im Kreise der besten Rider, aber er hat schon erste Dämme an Interesse an seiner Person eingerissen durch seinen kompromisslosen, risikobehafteten Riding Style.

Nicholi nimmt es sogar mit Tricks auf, die noch nicht einmal Brendon und Brett im Repertoire oder auf der Liste haben, und obwohl er auf seinem Weg schon oftmals harte Stürze einstecken musste, sackt er auch den meisten Jubel des Tages ein, wenn er es schafft, auf dem Bike zu bleiben.

Man konnte Rogatkin keine Sekunde aus den Augen lassen in Rotorua. Wir standen an der Seite des Tracks, als er mit einem Cork 720 vom Step-down seinen ersten Run eröffnete, dann aber bei der Landung des wohl spektakulärsten Starts überhaupt sein Reifen platzte.

“Seit ich erstmals mit fünf Jahren auf einem BMX saß, wollte ich immer nur fliegen”

Im zweiten Run wiederholte er den Opener, rollte sauber aus der Landezone und fuhr fort mit einem wieder einmal starken Run, den er mit dem ersten in einem Contest gelandeten 1080 der Geschichte am letzten Jump veredeln wollte. Wieder platzte ein Reifen, doch er rettete die Landung, um schließlich als Zweitplatzierter ins Ziel zu fahren.

Semenuk mag die Messlatte gelegt haben für Slopestyle, aber er ist nicht der Einzige, der hart ans Limit geht – Rheeder und Rogatkin haben das immer wieder klargestellt. Letzterer geht eben so weit, dass er bei Events Reifen zum Platzen bringt.

Im Gespräch nach dem Contest mit dem Bild im Gedenken an eine der Ikonen im Mountainbike Freeriding, Crankworx Rotorua Kurs-Designer und allseits beliebter Rider Kelly “McGazza” McGarry auf seinem leuchtend gelben Jersey, präsentierte sich Nicholi mehr als zufrieden mit seinem Auftritt. Genauso wie wir.

“Seit ich erstmals mit fünf Jahren auf einem BMX saß, wollte ich unbedingt möglichst hoch fliegen, und als ich mich nach und nach verbesserte, wollte ich schnell neue Tricks lernen”, sagte Nicholi.

Photos: Clint Trahan

“Es ist die gleiche Situation wie heute. Ich will hoch hinaus und neue Tricks lernen. Im Gegensatz zum ruhigen Feilen an Technik und Style bin ich im Moment gierig auf diese großen Tricks, was sich dann in den Runs bei Contests recht eindrucksvoll widerspiegelt.

“Einen guten Score zu erreichen, ist unglaublich schwer momentan. Du musst echt an dein äußerstes Limit gehen, und beim Freestyle pusht jeder auf verschiedene Weise. Ob es nun die Extra-Portion Style bedeutet, höher zu gehen, mehr Barspins einzubauen oder neue Variationen bei Rotationen.”

“Alle fahren auf einem so hohen Level, dass ein entscheidender Score echt schwer zu bekommen ist: der Druck, das Fahrerfeld, die Crashes, die Gefahr, die mentale Stärke – alle Faktoren spielen eine Rolle. Aber jeder hat auch eigene Wege der Motivation.”

Die Motivation für Rogatkin? Innovation, Progression, persönliche Träume und die Weiterentwicklung einer Disziplin, die vor zehn Jahren dominiert und etabliert wurde von Legenden wie Darren Berrecloth mit seinen 360s in Whistler.

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Foto: Stuart Kenny

Nicholi erklärt weiter: “Die beste Sache ist doch Innovation in unserem Sport und Slopestyle weiter und weiter zu bringen auf verschiedenste Weise. Das ist Freestyle.

“Brandon und Brett befinden sich im Battlemodus; Brandon war der Beste seit so langer Zeit und Brett klebt an seinen Fersen, um der Beste zu werden. Und dann kommen immer neue Jungs in die Szene, die einmal deren Platz einnehmen könnten. Deshalb will jeder gerade neue Sachen zeigen und auf Ganze gehen.”

“Was mich betrifft, ich werde immer da rausgehen und den härtesten mir möglichen Trick bei jedem Jump probieren: manchmal endet das im Crash, manchmal platzt mein Reifen, aber genau daraus ziehe ich meine Motivation. 15 Jahre mit dem Drang, hoch zu fliegen.”

Seine Flugambitionen tauchen oft unerwartet auf, Nicholis Signature ‘Cash Roll’ oder sein 1080 lösen beim Publikum umgehend Ekstase aus.

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Foto: Clint Trahan

Cam Zink postete nach Rotorua auf Instagram ein Bild des Amerikaners mit dem Kommentar: “Dieser Typ… Judges mögen ihn offenbar nicht besonders.” Und ob man denkt, er sei an diesem Tag stärker gewesen als Semenuk oder nicht, es scheint sicher zu sein, dass er früher oder später auf der Tour ebenfalls Gold um den Hals hängen hat.

Egal mit wem man sich unterhält; Rogatkin, Rheeder, Semenuk, Pilgrim oder andere im Feld, es ist offensichtlich, dass “the love of riding” immer noch den Kern des Sports zusammenhält.

Vieles hat sich verändert in der Welt des Slopestyles, seit ein 16-jähriger Shredder 2007 in Whistler seine Bronzemedaille auf der Brust begutachtete. Und persönlich könnten wir uns einen anderen Weg in den letzten zehn Jahren kaum vorstellen.

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