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Motocross

WHIP IT | Wir zeigen euch, wie er funktioniert

Aus dem Heft MOTOX #160

Der Whip ist das coolste Manöver, das es auf der Strecke gibt. Mehr Style geht nicht! Wir zeigen euch, wie er funktioniert.

Von Sylvia Kosak

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Wenn es eine herausragende Fahrtechnik des modernen Motocross gibt, dann ist es der Whip. Die Entstehung des Whip, bei dem das Motorrad in der Luft flach auf die Seite gelegt wird, überschneidet sich vielleicht nicht zufällig mit der Zeit, in der aus schweren, luftgekühlten Maschinen mit schlechtem Fahrwerk moderne, wassergekühlte Technik-Geschosse mit langen Federwegen wurden.

Während es in den 70ern der Höhepunkt an Coolness war, einen im Vergleich zum Whip zurückhaltenden Cross-up zu zeigen, dem eine Ehrenrunde um die Strecke folgte, um einen Sieg zu feiern, wirken solche Aktionen heutzutage wie Goonriding. Die einzig akzeptable Lösung, um einen wichtigen Rennsieg zu feiern, ist ein dicker Whip über den Zielsprung. Die Fans erwarten das und sind enttäuscht, wenn ein Fahrer einfach nur gerade über den Sprung fährt und dabei einen armseligen Fist Pump durchführt. Wenn es ein Manöver gibt, das jeder Amateur-Fahrer gerne beherrschen würde, dann ist es der Whip. Kein Backflip, kein Nacnac, sondern ein schöner, stylisher, flacher Whip. Jeder findet ihn gut, selbst die trickverwöhnten FMXer können sich an einem guten Whip nicht satt sehen.

Doch das Bike in der Luft quer und seitwärts zu legen ist nicht nur spaßig und cool, sondern hilft den schnellen Fahrern sogar dabei, ihre Rundenzeiten zu verkürzen. Wenn man den Whip beherrscht, hat man mehr Spuren zur Auswahl, erreicht man eine flachere Flugbahn, wodurch man das Tem­po höher hält, und kann man die Flugbahn in der Luft ändern, um einen Zusammenprall zu verhindern. Außerdem schadet es nicht, ein Bike, das quer fliegt, kontrollieren zu können, wenn es einen mal seitlich versetzt.

ACHTUNG: Der Whip ist nichts für Anfänger, er ist ein fortgeschrittenes Manöver für erfahrene Fahrer. MOTOX Magazine, Factory Media und alle in die Entstehung dieser Story involvierten Personen können nicht dafür verantwortlich ge­macht werden, wenn ihr euch selbst an dem Trick probiert und bei eventuellen Unfälle, die dabei passieren, zerlegt! (Solltet ihr dadurch schneller und styli­sher fahren, dann dürft ihr euch natür­lich gerne daran erinnern, dass euch MOTOX verraten hat, wie es geht…)

Whip WISSENSCHAFT

Die jungen Fahrer von heute fühlen sich wohl dabei, ihr Motorrad in der Luft quer zu legen. Sie sind auf Strecken mit vielen künstlichen Sprüngen groß geworden und deshalb so selbstbewusst wie keine andere Generation, wenn sie in die Luft gehen. Sobald sie über al­le Sprünge gesprungen sind, folgt der Whip, um schneller um die Strecke zu kommen – und natürlich, weil es Spaß macht und cool aussieht!

Nach der McGrath-Nac­nac-Ära hat Ricky Car­mi­chael den Whip wieder hof­fähig gemacht. Auch heute weiß der GOAT das Ding in eine schöne Trick-Schräglage zu bringen
Nach der McGrath-Nac­nac-Ära hat Ricky Car­mi­chael den Whip wieder hof­fähig gemacht. Auch heute weiß der GOAT das Ding in eine schöne Trick-Schräglage zu bringen

Der Whip kann einem talentierten Fahrer tatsächlich einen Vorteil verschaffen. Schaut euch mal die GP- oder US-Rennen genauer an, um zu sehen, wie sich die vorausfahrenden Fahrer in einem Zweikampf durch den Whip breiter machen und dadurch schwieriger zu überholen sind. Durch den Whip wird der Absprungwinkel flacher, was bedeutet, dass man den Sprung mit einem höheren Tempo anfahren kann, ohne befürchten zu müssen, dass man zu weit springt. Die Wei­terentwicklung des klassischen Whips ist der Scrub, bei dem man das Motorrad noch schneller und härter beim Absprung umlegt. Der einzige Unterschied ist im Prinzip, dass man beim Scrub einlenkt, während man beim Whip mit dem Lenker gegensteuert. Der Scrub ist die ultimative Technik, um eine flache Flugbahn zu erzielen, bei der man weniger Gefahr läuft, den Sprung zu überspringen, und schneller wieder Kontakt mit den Reifen am Boden erringt.

Roger De Coster war bekannt für seine Aussage „Luft gibt keine Trak­tion“, womit er sagen will, dass man in der Luft weder be­schleunigen noch bremsen kann und somit Zeit vergeudet. Auch wenn Whips erst eine Generation nach seinem Karriereende perfektioniert wurden, hat seine Aussage natürlich noch Bestand.

Um einen Whip zu springen, muss man sich beim Absprung zur Seite lehnen, damit das Motorrad seitlich und flach in der Luft liegt. Durch einen Gasstoß, Gegenlenken und Verlagerung des Körpergewichts zieht sich zur Landung alles wieder gerade. Das klingt einfach, erfordert aber jahrelanges Training, Können, Vertrauen und… dicke Eier!

Viele Fahrer haben eine Schokoladenseite. Die einen bevorzugen es, das Bike nach links zu werfen, andere werfen es lieber nach rechts. Das ist im Prinzip wie beim Snowboarden, Skateboarden, Surfen oder beim Radfahren, wo man einen bevorzugten Fuß hat, der vorne steht. Die Top-Fahrer können natürlich in beide Richtungen whippen, um den optimalen Whip abhängig von der Streckenführung zu ziehen. Wenn man zum Beispiel aus einer Linkskurve kommt, wird es sinnvoller sein, das Bike in der Luft nach links zu lehnen, so dass das Hinterrad zur rechten Seite vom Fahrer fliegt. Folgt dem Sprung eine Rechtskurve, so möchte man sich eventuell in der Luft bereits nach rechts leh­nen und das Hinterrad nach links kicken lassen, um besser auf die kom­mende Kurve zuzufahren. Schaut euch bei einem DM- oder MX-Mas­ters-Lauf mal die Spuren in den Absprüngen genauer an und ihr wer­det wahrscheinlich einige Spurrillen sehen, die in einer leichten Kurve verlaufen. Beherrscht man den Whip und ist in der Lage, das Motorrad so zu positionieren, wie man es möchte, kann man kreativere Linien fahren und sich somit gegenüber den Gegnern durchaus einen Vorteil verschaffen.

Wie whippt man?

Die wichtigste Grundlage für einen guten Whip ist bereits die Anfahrt zum Sprung. Ihr müsst beim Absprung eine leichte Kurve fahren und euch mit dem Bike reinlehnen. Hier gibt es mehrere Varianten. Ihr könnt gerade auf den Sprung zufahren und dann beim Absprung nach rechts oder links ziehen, zum Beispiel fahrt ihr auf der linken Seite vom Table an und springt zur rechten Seite des Sprungs rüber. Ihr könnt aber auch bereits schräg auf den Ab­sprung zufahren, so dass ihr dann beispielsweise in der Mitte des Sprungs abspringt und auch wieder in der Mitte landet.


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Durch den Bogen, den ihr beim Absprung fahrt, fliegt das Hinterrad zur Seite. Je mehr ihr euch dabei zur Seite lehnt und je stärker ihr den Bogen fahrt, desto flacher und querer wird das Bike kommen. Doch tastet euch vorsichtig an das Ganze heran und fangt lieber erst klein an! Bei einem extremen Whip kann das Hinterrad durchaus beginnen, auf dem Absprung wegzurutschen.

In der Luft habt ihr mehr Druck auf der „oberen“ Hand und Fußraste. Wenn ihr euch also nach links lehnt, habt ihr mehr Druck an der rechten Hand, dem Knie und der Fußraste, da ihr an dieser Seite des Bikes hängt. Ihr könnt dann mit der rechten Hand und dem rechten Bein das Bike dazu zwingen, sich noch mehr zur Seite zu lehnen. Ist das Bike in der klassischen Whip-Position, kann man sich kurz entspannen und sollte nicht gegen das Bike kämpfen.

Sobald das Bike gewhippt ist, sollte man mit dem Lenker gegen die Whip-Richtung lenken – im Gegensatz zum Scrub, bei dem man mit einlenkt –, Oberkör­per und Kopf so gerade wie möglich halten und die Landung anvi­sieren. Durch einen Gasstoß in der Luft dreht sich das Hinterrad schneller und die Kreiselkräfte erhöhen sich. Gleichzeitig mit dem Gasstoß zieht ihr das Motorrad am unteren Lenkerende wieder aufrecht, wodurch sich das Motorrad wieder gerade zieht.

Nach einem guten Whip werdet ihr nicht perfekt gerade landen, ihr solltet dennoch versuchen, so gerade wie möglich zu kommen. Landet tendenziell mit dem Vorderrad zuerst – in die Richtung, in die ihr fahren wollt, zeigend – und geht zur Landung ans Gas. Dadurch wird sich das Motorrad schnell in die richtige Spur ziehen. Mit der Zeit werdet ihr wissen, wie quer ihr noch landen könnt. Top-Fahrer stressen sich deshalb nicht zu sehr, perfekt gerade zu lan­den. Je gerader ihr jedoch landet, desto härter könnt ihr bei der Landung beschleunigen.

 

 

Die Geschichte des Whip

Der Whip entstand aus dem ehrwürdigen Cross-up von anno dazumals, der sogar im legendä­ren Motorrad-Film von 1971 „On Any Sunday“ erwähnt wurde. Ironischerweise hat in dem Streifen ausgerechnet Joel Robert, der für die Trans-AMA-Serie zu Gast in den USA war, den Cross-up ­durchgeführt…

Danny „Magoo“ Chandler entwickelte den Cross-up zum Rodeo Whip weiter – danke, Magoo!
Danny „Magoo“ Chandler entwickelte den Cross-up zum Rodeo Whip weiter – danke, Magoo!

In der US-Szene sprangen Fahrer wie Brad Lackey und Jim Pomeroy in den frühen 70ern Cross-ups, was zu einigen berühmten Fotos ge­führt hat, und jeder Motorrad Test in den Magazinen wie „Dirt Bike“, „Motocross Action“ und „Popular Cycling“ enthielt mindestens ein Cross-up-Bild.

Der Wandel vom Cross-up zum flacheren Whip kann vor allem dem „Wild Child“ der frühen 80er Danny „Magoo“ Chandler zugeschrieben werden. Er nannte seinen Move, bei dem er eine Hand über den Kopf schwang, als würde er ein Lasso schwingen, Rodeo Whip. „Magoo“ war ex­trem po­pulär, wenn auch eher für seine Stürze als für Rennsiege, und sein Whip wurde eine Art Trend. Traurigerweise führte solch ein Whip auch zu seinem Karriereende, da er 1985 nach einem misslungenen Versuch im Rollstuhl landete.

Die nächste Entwicklungsstufe des Whip ent­­stand an den südkalifornischen Dirt-Bike-Ge­länden wie Palm Avenue in San Diego, auf denen sich die Jungs aus El Cajon – Ricky Johnson, Ron Lechien, Scott Burnsworth, Bader Manneh und Mike Craig – zum Playriding trafen und versuchten, sich gegenseitig auszustechen. Die­se Tricks fanden schon bald ihren Weg auf die Rennstrecken, vor allem durch Ron Lechien, während sich Ricky Johnson weiterhin auf No-hander und Cross-ups beschränkte, um seine Siege zu feiern.

Es gab damals ein Gelände namens Honda Land, auf dem die Honda-Werksfahrer trainierten und namhafte Kerle wie Johnny O’Mara und David Bailey ver­suchten, sich gegenseitig zu überbieten. Ein großer Teil davon wurde von Davids Vater Gary auf Film festgehalten und er zeigte in dem sehr ein­­flussreichen – und seltenen – Video „Pros at Practice and Play“ viele Einstellungen von Whips und wozu diese Top-Fahrer in der Lage waren, wenn sie herumspielten.

In den frühen 90ern erfuhr der Whip ein kleines Tief, denn Jeff Stanton, Damon Brad­shaw, Jean- Michel Bayle und Mike Kiedrowski nahmen das Siegen deutlich ernster, als eine Show zu veranstalten. Zwar unterhielten Fahrer wie Mike Craig und Guy Cooper die Fans während der Trainings und Heat-Rennen weiterhin mit Whips, doch beide Fahrer zusammen können einen einzigen SX-Sieg vorweisen, was bedeutet, dass die Chan­cen damals ziemlich gering standen, den Whip über den Zielsprung zu sehen.

1993 kam dann Jeremy McGrath auf die große Bühne und präsentierte seine Tricks, das High­light dabei war natürlich der legendäre Nacnac. McGrath gewann so viele Rennen, dass es hart war für die anderen Fahrer wie Jeff Emig, Doug Henry, Ezra Lusk, Mike LaRocco und Damon Huff­man, überhaupt nur wahrgenommen zu werden. Doch Videos wie „Terrafirma“ und „Crusty Demons of Dirt“ zeigten nicht nur die Top-Fahrer dabei, wie sie Tricks machten, sondern auch weniger bekannte Jungs wie Mike Metzger, Brian Deegan, Mike Cinqmars, Seth Enslow und andere und der Whip war der Grundtrick eines jeden Freestyle-Motocross-Fahrers.

Wenn eine Person den Whip vorangetrieben und zurück auf die Bildfläche gebracht hat, dann war es Ricky Carmichael. Während McGrath seine Nac­nacs zeigte und Kevin Windham sich auf Heelclicker kon­zentrierte, preschte Carmichael 1997 in die Profi-Szene und war immer spektakulär unterwegs, egal ob er siegte oder stürzte. Er feierte seine Siege mit absolut flachen oder gar noch stärker rübergelehn­ten Whips. Selbst heute unterhalten sich Fans noch über jenen, den er im Pontiac Silverdome vollführte, nachdem er die 1998er-125-ccm-East-Coast-Meisterschaft mit einer perfekten Saison beendet hatte. Oakley produzierte damals sogar Werbetafeln und Poster mit Rickys Whip aus St. Louis.

Der Whip überholte den Nacnac in der gleichen Nacht, in der Carmichael die Macht im Supercross übernahm: Anaheim III 2001. Während der Eröffnungszeremonie hatte McGrath Pyrotechnik an ­seinem Bike installiert, die während des Sprungs über den großen Triple zünden sollte. Carmichael, der ne­ben McGrath fuhr, entschied sich dazu, einfach ei­nen fetten Whip zu springen – dazu brauchte es keine Spezialeffekte. Während die Pyrotechnik nicht losging, zog Ricky einen derart fetten Whip, dass er es sogar in Fox-Anzeigen und DC-Shoes-Poster schaffte. Dass der Whip dem Nacnac die Show stahl, war von diesem Moment stellvertretend für die Geschichte Car­michael vs. McGrath.

Während Carmichael seine Erfolgsgeschichte ver­tiefte, gewann auch der Whip wieder an Prominenz. Schon bald whippten junge Fahrer wie James Ste­wart, Billy Laninovich und mehr auf dem gleichen oder sogar höheren Level wie Carmichael. Sogar die alten Jungs wie Kevin Windham nahmen sich des Tricks wieder an. James Stewarts Scrub ist eine extreme Weiterentwicklung des Whips, die einen den Kiefer noch weiter herunterklappen lässt.

In letzter Zeit hat der Whip wieder einen schwereren Standpunkt bekommen, denn Fahrer wie Ryan Villopoto, Ryan Dungey, Mike Alessi und Eli Tomac haben nicht viel Interesse an einer großen Show gezeigt. Sie konzentrieren sich aufs Siegen und das zahlt sich für sie aus. Die großen Freestyle-Wettbewerbe haben heute fast alle Best Whip Contests, in denen sich Jungs wie Ronnie Renner, „Twitch“ Stenberg, Edgar Torronteras, Tom Pagès, Todd Potter, aber auch ehemalige Rennfahrer wie Josh Hansen und Lance Coury um die Gunst des Publikums balgen. Doch es gibt nichts Besseres, als einen guten Whip mitten in einem Motocross-Rennen zu sehen!

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