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MTB

Reisebericht Nepal | Auf Singletracks durch den Himalaya

Eindrücke vom Yeti Cycles Teamtreffen in der nepalesischen Region Lower Mustang

Text & Fotos: Dan Milner

So oft man auch in großer Höhe auf dem Bike unterwegs sein mag, dort zu fahren wird für mich nie wirklich einfacher. 4.000 Höhenmeter können dich komplett ausknocken, egal wie fit du bist, egal wieviel du trainiert hast. Bitter wird es, wenn man dann auf dem Weg zum 4200 m hohen Lupra Pass in den niedrigsten Gang schalten will, doch man dann merkt, dass dieser gerade schon verwendet wird.

Man muss also noch mehr an die eigene Substanz gehen und sich dazu mental pushen: “Ich packe das!” Wenn dann genau in diesem Moment ein Mountainbiker an dir vorbeizieht und nicht mal angestrengt aussieht, kocht der Frust kurzfristig hoch. Es ist RJ, ein junger nepalesischer Rider.

“Man will in den niedrigsten Gang schalten, doch Pech gehabt, man verwendet ihn bereits”

Man könnte jetzt argumentieren, dass Rajesh Magar, genannt RJ, auf einen physiologischen Vorteil vertrauen kann, da er in den Bergen Nepals geboren wurde und mit der dünnen Luft aufgewachsen ist, doch in diesem Moment trösten solche Gedanken nur bedingt.

Doch irgendwo tief im Kopf bleibt eine Unruhe: RJ fährt erst seit drei Jahren Mountainbike und nicht so wie manch anderer hier, der bereits 30 Jahre auf dem Bike sitzt und das eigene Ego sich meldet, dass man eigentlich schneller sein sollte, um mit diesem Rookie mithalten zu können. Doch die Wahrheit, die alle Rider aus dem Westen akzeptieren müssen, ist, dass der kleine RJ eine absolute Maschine ist und nahezu niemand den Hauch einer Chance gegen ihn hat.

In seinen drei Jahren als Mountainbiker hat er bereits zwei Mal die nepalesischen Downhill-Meisterschaften sowie die Himalayan Downhill Trophy 2015 gewonnen. Angefangen hat er auf einem Bike, das er sich selbst zusammenschweißte. Wie kann man dieses Kid nicht ins Herz schließen?

“Die Belohnungen fordern ihren Tribut: Heftige Aufstiege, bei denen uns schlecht wird und man seinen Verstand hinterfragt”

Wir haben RJ beim Teammeeting des ersten internationalen Yeti cycles getroffen, dort waren Rider aus vielen verschiedenen Ländern zusammengekommen, um in einer der besten Bike-Gegenden in die Pedale zu treten – der Region Lower Mustang in Nepal. Der 8.000 Meter hohe Annapurna bietet die besten Trails, doch die Belohnungen fordern ihren Tribut: Heftige Aufstiege, bei denen uns schlecht wird und man seinen Verstand hinterfragt.

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Jeder bewegt sich beim Biken in seiner eigenen Komfortzone, doch wenn 30 Rider unterwegs sind, wird man auch mal aus dieser Zone herausgelockt, motiviert sich und gibt das letzte Hemd. Und genau dieses Phänomen bahnte sich auch beim Teamtreffen an. Alles war freundschaftlich, entspannt und cool, doch jeder verausgabte sich bis zur totalen Erschöpfung.

“Das Leben begrenzt sich auf die Prioritäten Schlaf, Essen, Trinken und Mountainbiken.”

Doch in dem Himalaya-Terrain, viele Tausend Kilometer entfernt vom hektischen Alltag, ist der Wettbewerb innerhalb der Gruppe leicht zu ignorieren. Stattdessen findet sich das Team in den mental quasi unbezwingbaren Bergen zwischen Yaks und Teehäusern mit klappernden Fensterläden wieder.Das Leben begrenzt sich auf die Prioritäten Schlaf, Essen, Trinken und Mountainbiken. Für eine kurze Weile genießt das Team zumindest den Luxus.

Das Treffen ist unser drittes Abenteuer in der Mustang Region, wo es nicht nur Singletracks von Format gibt, sondern auch eine reiche Kultur, unglaublich freundliche Menschen und eine atemberaubende Landschaft, die wie das Gegenteil von England wirkt. Während man beim Annapurna oft im Regen sitzt, ist die Mustang Region eher trocken und mit roten Felsen und Gipfeln übersät sowie von Schluchten mit Flüssen durchzogen. Eingebettet in diese attraktive Landschaft sind die Dörfer – Ziegelsteinhäuser aus Lehm. Es ist ein wilder Ort, der aus vielen Perspektiven tief beeindruckend ist.

“Eingebettet in diese attraktive Landschaft sind die Dörfer – Ziegelsteinhäuser aus Lehm. Es ist ein wilder Ort, der aus vielen Perspektiven tief beeindruckend ist”

Die fünf Tage mit der Yeti Crew waren gespickt mit Touren von Kagbeni aus, ein charismatisches Dorf, das für geführte Mountainbike-Touren bekannt wurde. Erreicht haben wir das Dorf mit einer Propellermaschine von Pokhara nach Jomsom. Der Flug ist verrückt, denn die Maschine schaukelt bei starken Winden zwischen den Bergen, es gibt nicht viel Raum für Fehler des Piloten. Dazu passend gesellt sich die extrem kurze Landebahn in Jomsom.

Die Crew fährt zwischen Yaks und Hühnern in den engen Steingassen von Kagbeni, während sich die Affen am Kloster des 15. Jahrhunderts aufhalten. Wir trinken Bier, wenn die Tagestour vorbei ist oder essen Schokokuchen und trinken Cappuccino in den vorzüglichen Coffeshops von Kagbeni – ein Zeichen, dass der Tourismus langsam das Dorf erreicht. Das Dorf liegt auf der Route der berühmten Annapurna-Umrundung, und so kommen viele Leute ins Dorf, vor allem Mountainbiker. Die Touristen sind für die Einheimischen eine gute Einnahmequelle.

“Sie trotzten Seitenwinden, sprinteten über wackelnde Hängebrücken und fuhren mit Flow durch Pinienwälder”

Die nepalesischen Rider RJ, Mandil und Nishant sowie die UK Guides Euan und Chris von H&I Adventures zeigten der Crew die besten und oftmals versteckten Trails. Bei der Tour durch das Flusstal Gandaki wählten die Jungs einen anderen Weg und fuhren durch die Dörfer Pilling und Phalla. Sie trotzten Seitenwinden, sprinteten über wackelnde Hängebrücken, fuhren mit Flow durch Pinienwälder und legten Strecken zurück, die Achterbahnen ähnelten, um schließlich nach Marpha zu gelangen und weiter in der subtropischen Hitze nach Tatopani.

In nur fünf Tagen hat die Crew unglaubliche Distanzen zurückgelegt und unendlich viele Erinnerungen gesammelt. Das Highlight für die meisten von uns war jedoch die Abfahrt von Muktinath, einer auf 4.000 Metern liegenden Siedlung. Wir schnappen beim Gedanken an den Moment immer noch nach Luft, als wir den Gipfel des Lupra Passes erreichten und in die scheinbar endlosen weiten des Tals blickten.

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Umgeben von ein paar der höchsten Gipfeln der Welt und eingebettet in eine Landschaft ohne Bäume ist es schwierig, bestimmte Dinge einzuschätzen. Was sich wie ein zehnminütiger Anstieg anfühlt, dauert eine Stunde und eine Abfahrt von 15 Minuten kommt dir vor wie 50. Von oben ist die Perspektive verzerrt und es wirkt Ehrfurcht einflößend. Der Singletrack schlängelt sich hin und her, nach und nach verschwinden die Fahrer. Es sieht extrem steil aus.

Es geht los, RJ ist vorne, die Abfahrt schnell und staubig. Wenn man zu nah am Vordermann fährt, sieht man nichts, sogar die Zähne werden vom Dreck benetzt. Der Trail bettelt danach, schnell gefahren zu werden, doch die Oberfläche erweist sich als relativ lose, somit muss man stets die Kontrolle über das Vorderrad behalten. Alle sind in ständiger Bereitschaft hochkonzentriert, der kleinste Fehler kann einen Sturz mit fatalen Folgen bedeuten.

Entspann dich, entspann dich”, sagt man zu sich, doch einfacher gesagt als getan. Wir pausieren und und wischen den Dreck aus unseren Gesichtern. In der Luft um uns liegt aufgewirbelter Staub, der in der Hitze langsam nach oben zu den schneebedeckten Bergen steigt. Ganz vorne erspähen wir RJ, der sich den Trail hinunterstürzt.

Im starken Kontrast zu meiner Heimat England ist Nepal eines der ärmsten Länder der Welt. Hier werden Fahrräder als Transport- und Fortbewegungsmittel und nicht als Spielzeug für die Berge und Trails verwendet. Doch RJ fährt trotzdem besser als der Rest des Teams, obwohl er nicht so viel Erfahrungen hat und der Bike-Lifestyle aus dem Westen erst spät sein Land eroberte.

Die Nepalesen sind eine hartgesottene Nation – das wissen wir spätestens jetzt. Das Yeti-Teamtreffen fand kurz vor dem heftigen Erdbeben statt. Ein Schock, der über Nacht die Touristenzahlen halbierte und auch Touristenregionen wie Lower Mustang zerstörte.

Mit nur wenigen Exporten führt Nepal hauptsächlich eine Subsistenzwirtschaft. Das Land ist extrem steil mit schwer zugänglichem Gelände sowie saisonalen Monsunregenfällen und wenig ausgebauter Infrastruktur.

Doch trotz dieser auf uns extrem wirkenden Schwierigkeiten bleiben die Einwohner positiv und fröhlich. RJ ist nur einer von vielen Nepalesen, doch er steht symbolisch für die Einstellung im Land.

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Wir sehen RJ im Nichts verschwinden, als er Richtung Lupra Village steuert, ein kleines Durcheinander von Häusern direkt neben derSchlucht von Panda Kola. Ein Ausblick wie im National Geographic Magazine. Man hatte die Ehre, dieses Land zu besuchen und weiß es trotzdem auch zu schätzen, wieder zurück nach Hause zu fliegen, zurück zum komfortablen westlichen Lifestyle, in dem es fließend sauberes Wasser und asphaltierte Straßen gibt – dorthin, wo Bikes ein Sportgerät sind. Als wir dort im Staub standen, realisierte ich, dass RJ mir noch viel lehren kann.

Er ist nur halb so alt, fährt in alten Jerseys, doch er zeigte uns, was möglich in diesem Gelände ist, wenn man Grenzen ignoriert.

Wir haben viele Filme von den aufkommenden MTB-Stars gesehen, die später auf den größten Events von Rampage bis Crankworx für Furore sorgen sollten, doch im Gebirge von Nepal realisierten wir, dass viele Dinge neben RJ unwichtig wirken. Dieser 19-Jährige musste bis vor kurzer Zeit noch zur Schule gehen und mittlerweile arbeiten, gewinnt aber bereits Meisterschaften und lässt alle anderen Hochkaräter unseres Treffens alt aussehen. Er ist der wahre Superheld.

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