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Snowy Mountain, Australien - Will Solis

Travel

Mit Wim Hof raus aus der Komfortzone und rein ins Eis

Von einer einfachen Eistruhe bis an den Esstisch mit "The Iceman" Wim Hof

Foto: Will Solis

Wir standen in einem großen Kreis im Schatten der Eiswand hinter uns. Arm in Arm, die Kälte spürend, leicht zitternd, aber alle Teilnehmer voller Energie. Als eine geschlossene Einheit setzten wir uns bis zu den Schultern ins Wasser. Ich schloss die Augen und spürte leere Dunkelheit, die sich langsam aufzulösen begann. Ein Kreislauf aus Energie und Wärme entfaltete sich von meinem Becken bis hinauf zu meinem Kopf zu schließlich zu einem Schrei. Um mich herum hörte ich gleichzeitig mehrere davon, voller Befreiung, Freude und Kraft. Meine Zehen waren taub geworden, ich spürte meine Finger kaum noch. Hand in Hand gingen wir mit kleinen, bedächtigen Schritten aus dem Fluss. Jeder hatte ein Lächeln auf den Lippen, aufrechte und energiegeladene Haltung inklusive.

Wir standen kurz darauf in Badesachen an Land, wieder in einem Kreis und wärmten unsere Körper mit Bewegungen von Seite zu Seite auf. Bei jedem Ausatmen schrien alle „Hu Ha Hu Ha Hu Ha“. Dazwischen ein tiefes Einatmen und der Oberkörper wurde mit tief gebeugten Knien von Seite zu Seite gedreht. Das Kollektiv bewegte sich schneller und schneller und erzeugte immer mehr Wärme in den eisigen Körpern. Wir umarmten uns und zogen mit zitternden Händen warme Kleidung an. Jedes Gesicht, in das ich blickte, schien zufrieden zu sein. Wir verließen den Fluss und machten uns auf den Rückweg. Unterwegs bildeten wir einen Tunnel aus Händen, durch den jeder einmal ging. „Du bist schön, kraftvoll, du bist geliebt“, Worte, die das offene Herz und die Seele nun vollständig aufnehmen konnten.

Will Solis
Will Solis – Snowy Mountains, Australien

Wie es dazu kam, in einen eiskalten Fluss gehen

Vor nicht allzu langer Zeit landete ich in Sydney zu meinem Auslandssemester, genauer im September 2019. Auf einer Entdeckungstour durch das Haus meiner Wohngemeinschaft entdeckte etwas, von dem ich nie erwartet hätte, dass es mein Leben verändern würde. Eine weiße Tiefkühltruhe, davor ein kleiner Hocker. Aus reiner Neugierde hob ich den Deckel an und es war nur Wasser mit schwimmenden Eisbrocken darin. Warum sollte sich jemand eine kaputte, vereiste Gefriertruhe ins Haus stellen?

Nach einer Woche lernte ich meinen damaligen Mitbewohner Johannes Egberts kennen. Johannes ist ein „Wim Hof Method Instruktor“. Das bedeutet schnell erklärt, dass er Menschen zum Eisbaden motiviert, Atemübungen anleitet – und das nach der Methode des verrückten Niederländers Wim Hof. Johannes und ich freundeten uns an und ich nahm an vielen seiner Events teil. Vor unserer Bekanntschaft war mir immer kalt gewesen, nun konnte ich bis zu fünf Minuten in einer Eistonne sitzen. Das hätte ich mir nie zugetraut, denn durch eine Schilddrüsenerkrankung war Kälte immer ein großer Feind gewesen. Mir wurde klar, dass hier die Wim-Hof-Methode möglicherweise Linderung bringen könnte und der Schlüssel zu einem gesünderen, starken und glücklichen Körper ist.

Somit versuchte in der Zeit in Sydney, so viel über die Methode aufzusaugen, wie es ging. Auf dem Weg lernte ich Kiki Bosch kennen, eine unglaublich inspirierende Frau mit großem Wissen über alternative Heilmethoden und die Kraft der Natur. Sie bildete ein liebevolles Pendant zu Johannes, der seine Motivation durch Kraft und eine laute Stimme weitergab, Kiki hingegen animierte zu einem neuen Lebensweg mit Faszination und einem Blick, in jedem etwas Besonderes zu erkennen. Die beiden Wim-Hof-Instruktoren taten sich zusammen, um gemeinsam einen Workshop in Sydney zu geben.

Und so fand ich mich im November 2019 – auf einer Yogamatte liegend – wieder, angeleitet von der Stimme von Kiki und Johannes langsam meine Augen zu schließen.

Die Wim-Hof-Methode besteht aus drei Schritten, die auch bei diesem Workshop durchgegangen wurden.

Atmung 

Johannes begann, uns in die erste Runde zu leiten: „Voll ein und los geht’s!“ Unterstützt von kraftvoller Musik atmete ich tief durch die Nase ein, dehnte mein Zwerchfell und öffnete den Mund, um etwas Luft herauszulassen. 40 bis 50 Atemzüge bis zum maximalen Atemanhalten. Nach der ersten Runde konnte ich meinen Atem länger als eine Minute anhalten.

Im Körper besteht im Normalzustand ein Gleichgewicht von Sauerstoff und Kohlendioxid. Durch das Anhalten des Atems strömt mehr Sauerstoff ins System und der Kohlendioxidgehalt sinkt. Sobald wir anfangen, den Atem anzuhalten, kommt es langsam wieder zu einem Gleichgewicht, nach einer Weile ist der Kohlendioxidgehalt höher und der Drang, endlich einzuatmen, setzt ein. Mit mehr Übung und Runden steigert sich die Fähigkeit, länger dem Atem anhalten zu können.

Wir absolvierten fünf weitere Runden und nach der letzten tauchten Bilder in meinem Kopf auf. Farben, geometrische Muster und sogar einige Bilder vom Strand und dem Wasser. Plötzlich war alles vorbei, ich begann meine Fingerspitzen und Zehen zu bewegen und kam wieder in eine sitzende Position. Ich fühlte mich entspannt und sehr aufgeweckt.

Will Solis - Workshop mit Kiki Bosch und Johannes Egberts
Will Solis – Workshop mit Kiki Bosch und Johannes Egberts

Eisbad

Der Workshop ging weiter und wir kamen zur zweiten Säule, der Kälteexposition. Wir lernten, dass sie zahlreiche gesundheitliche Vorteile bietet. Es wurde bewiesen, dass sie ein wirksames Werkzeug zur Verbesserung der Stimmung und zur Heilung von Depressionen ist, das Immunsystem stärkt und eine Entdeckungsreise zur Leistungsfähigkeit von Körper und Geist ist. Wissenschaftler fanden auch heraus, dass Kälte den Stoffwechsel beschleunigt, Schwellungen und Muskelkater reduziert und bei der Bekämpfung von Entzündungen helfen kann. Autoimmunkrankheiten werden durch Entzündungen verursacht, Entzündungen wiederum durch Stress ausgelöst. Mein Gehirn drehte sich weiter, als ich meinen Lebensstil und den Stress im täglichen Leben analysierte. Menschen, die häufig Eisbäder oder kalte Duschen nehmen, könnten die Qualität ihres Schlafes verbessern und konzentrierter sein. Die Vorteile reichen von einem höheren Energielevel bis hin zu einer Linderung der Symptome, die durch eine Autoimmunerkrankung verursacht werden.

Jetzt war meine Konzentration weg. Alles, was ich wollte, war mein erstes Eisbad zu nehmen. Da stand ich nun vor einem kleinen Pool mit Eiswürfeln und einer kleinen schwimmenden gelben Ente mit der beängstigenden Anzeige „1 Grad“ darauf. Ich habe die Kälte nie gemocht. Sie bereitet mir Schmerzen und fühlt sich einfach unangenehm an. Aber gut, solange man nie etwas Neues ausprobiert oder sich seinen Ängsten stellt, wird man es nie erfahren, geschweige denn aus seiner Komfortzone herauskommen. „Rein mit dir“, sagte Johannes und ich stieg in den Pool. Huh, kalt, ich fing an zu zittern und leicht zu hyperventilieren. Ich sagte mir, ich solle mich auf das Gefühl einlassen und es nicht bewerten. Ja, es fühlt sich kalt an, aber ohne es als gut oder schlecht zu bezeichnen. Ich blieb zwei Minuten lang im Wasser, hatte Gänsehaut, rote Haut, zitterte ein wenig, war aber super energiegeladen.

 

Willenskraft

Ich fühlte mich bestärkt, aus meiner Komfortzone herausgetreten zu sein und den Sprung ins Eis gewagt zu haben. Das könnte die dritte Säule der Methode einleiten, die Willenskraft. Den Körper nicht mehr nur automatisch durch den Alltag zu steuern, sondern die Kontrolle über Körper und Geist zu übernehmen. Um gesünder, glücklicher und zufriedener zu werden und mit Stress und Konflikten umzugehen.

Nachdem alle eingestiegen waren, tranken wir einen Kakao und tauschten gemeinsam aus, was wir am Tag erlebt hatten. Für mich war es ein neues Bewusstsein für meinen Körper. Ich kann in die Kälte gehen, mein Körper kann sich aufwärmen und mein Geist und Atem können mich durch jede Herausforderung manövern.

Wir fuhren zurück nach Sydney, am nächsten Tag ging ich zur Universität und zur Arbeit. Ich begann, die Kälteexposition in mein tägliches Leben zu integrieren. Der Wechsel von schönen heißen Duschen zu kalten ist pure Willenskraft.

Das treffen mit dem Mann hinter der Methode 

Als die unglaublichen Möglichkeiten hier in Australien immer wieder auftauchten, erhielt ich am Morgen des 8. Dezembers eine Nachricht, dass ich als Freiwilliger am Event von Wim Hof in Sydney teilnehmen könne. Ich wusste, dass dort viele Freunde und bekannte Gesichter sein würden, aber es erschien mir bis jetzt nicht realistisch, dabei zu sein.

Wim-Hof- Event -Sydney
Wim Hof Event – Sydney

1200 Menschen warteten vor der Tür. Wim begrüßte die Leute und ging wieder hinein, um sich für seinen Auftritt auf der Bühne vorzubereiten. Die Menschen liefen in die Halle und breiteten ihre Yogamatten vor der Bühne aus. Jeder Bereich umfasste eine kleine Gruppe von Freiwilligen sowie einen Wim-Hof-Lehrer.

Die Band begann laut zu trommeln und Johannes betrat die Bühne. Er klatschte mit der Faust auf sein Herz und strahlte eine Energie aus, die ich schon bei der ersten Begegnung mit ihm spüren konnte. „We are the tribe, we are the tribe“. Die Menge, die nun voll motiviert und aufgeregt war, begann im Rhythmus zu Johannes auf ihr Herz zu schlagen. Eine Party-Atmosphäre breitete sich aus. Dann kam Wim Hof auf die Bühne.

Wim Hof

Wim ist nicht nur ein verrückter Typ, der den Mount Everest nur in Shorts besteigt, zwei Stunden in einer Eiswanne sitzt oder barfuß einen Halbmarathon am Polarkreis läuft und dabei 21 Guinness-Weltrekorde bricht. Er ist ein Biohacking-Meister, der der Welt zeigt, wozu der Körper fähig ist und wie man sich den Zustand des Geistes bewusst machen kann. Durch sein umfangreiches Training seit über 40 Jahren kann er seine Atmung, Herzfrequenz und den Blutkreislauf kontrollieren und kalten Temperaturen standhalten. Er sagt gerne, dass die Natur sein einziger Lehrmeister ist.

Die extremen Leistungen erregten die Aufmerksamkeit von Medien und Wissenschaftlern auf der ganzen Welt. Sie waren neugierig darauf, herauszufinden, wie er die Kälte über einen so langen Zeitraum aushalten kann und ob er sein autonomes Nervensystem anzapfen kann. Denn Wim hatte behauptet, Teile des Körpers kontrollieren zu können, von denen uns gesagt wird, dass wir dazu nicht in der Lage sind, wie z.B. das Immunsystem, die Herzfrequenz und den Blutkreislauf. Zunächst schien das Publikum sehr skeptisch, aber Wim konnte seine Fähigkeiten auf wissenschaftlicher Ebene beweisen. Nach einem Experiment, das „Endotoxinstudie“ genannt wurde, legte er den Beweis vor, dass er in der Lage ist, sein Immunsystem bis zu einem gewissen Grad zu kontrollieren.

In dem Experiment wurde ihm ein Bakterium injiziert, das sein Immunsystem im Normalfall angreifen würde und Symptome wie Übelkeit, Fieber und Müdigkeit verursacht. Wim war in der Lage, seinen Körper mit Adrenalin zu fluten, indem er sein autonomes Nervensystem anzapfte und die Bakterien ohne eine Entzündungsreaktion durch seinen Körper passieren ließ.

Wim Hof wurde als der verrückte „Iceman“ bezeichnet, aber er sagte, dass jeder lernen könne, wie er seine Körperteile besser kontrolliert. Er bringt den Menschen mit seiner Methode bei, wie man es angeht. Er nahm 18 junge Männer mit nach Polen, um ihnen seine Techniken beizubringen. Um dem Wissenschaftler, der die ganze Reise und das Training verfolgte, zu zeigen, dass jeder das Immunsystem nach Belieben beeinflussen kann. Er führte mit ihnen Atemübungen durch, wanderte mit ihnen bei eisigen -30 Grad und nur in kurzen Hosen auf den höchsten Berg Polens und tauchte in eiskalte Seen ein. Am Ende war jeder Mann bereit, das Experiment mit der Injektion von e-Coli-Bakterien zu wagen. Jeder einzelne Teilnehmer war in der Lage, den Erreger ohne eine Entzündungsreaktion durch den Körper zu schleusen. Dies war ein Durchbruch in der Wissenschaft, der zu neuen Erkenntnissen in der medizinischen Literatur führte, daneben ein kleines Bild von Wim in Shorts.

Und dieser faszinierende 60-Jährige saß vor mir am Tisch beim Abendessen nach der Veranstaltung. Er blies ein Horn, sang und schuf eine kindliche, lustige Atmosphäre. Wim schien ein bisschen müde, aber sehr zentriert nach dem großen Event. Er führte 1200 Menschen durch seine Methode und pflanzte einen kleinen Samen in sie, wie man den Körper und den Geist durch das Leben navigiert, um gesund, stark und glücklich zu bleiben.

Ich kann euch nur ans Herz legen, die Methode selbst mal auszuprobieren. Die gesamte Geschichte aus Australien findet ihr hier.

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