Verletzungen gehören zum Leben eines Profisportler dazu. Wenn sich allerdings jemand seiner Sportart so verschrieben hat wie der Kletterer Bernd Zangerl, kann dies einen tiefen Einschnitt ins Leben bedeuten und schlagartig alles infrage stellen. Als der Österreicher im Herbst 2015 unglücklich auf den Rücken stürzte, stand seine vollständige Genesung auf dem Spiel. Nach dem Sturz ging er nach Hause und verbrachte einen Ruhetag mit leichten Schmerzen im Nacken, die im Anschluss immer stärker wurden.
Eine MRT-Untersuchung offenbarte schließlich ein Trauma der Halswirbelsäule – die Hiobsbotschaft kam mit der genauen Diagnose: schwere Quetschung des 5. und 6. Halswirbels sowie einen kleinen Ausbruch, der in den zentralen Nervenkanal der Wirbelsäule drückt. In den folgenden Wochen litt er unter Taubheit in der rechten Hand, als sein Gehirn langsam aufhörte, Signale an die Muskeln zu senden. Er verlor nach acht Wochen seine gesamte Kraft im rechten Arm, Klettern existierte fortan quasi nicht mehr für ihn.
„Über 20 Jahre konnte ich mein Körpergewicht einarmig halten – jetzt keine Chance mehr. Es war in dieser Zeit sogar schwierig für mich, die Bratpfanne vom Herd zu heben“, beschreibt der Highball-Experte, wie sein Alltag plötzlich komplett auf den Kopf gestellt worden war. Ein Marathon zu Spezialisten und Physiotherapeuten sollte wenig Fortschritte bringen, erst eine Reise in den Norden Indiens mit einem ausgefeilten Trainingsprogramm und stärkerem Fokus auf den mentalen Aspekten sorgten für eine ansteigende Formkurve.
Der Film „Into the Sun“ von Ray Demski dokumentiert Zangerls Rückkehr zum Klettern auf höchstem Niveau und gibt Einblicke in eine besondere Art von Verlust, die ein passionierter Athlet bei solch einer Verletzung erleidet, die nicht nur die Karriere bedroht, sondern vor allem den Lebensentwurf beeinflusst.
