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Outdoor

Skifahrerin Hilaree Nelson bezwingt Lhotse: „Ich mag es, zu leiden“

Den vierthöchsten Berg der Welt erklimmen und mit Ski abfahren? Hilaree Nelson und Jim Morrison haben das beinahe unmögliche Projekt am Lhotse auf sich genommen.

Der Lhotse ist mit 8516 Meter der vierthöchste Berg der Welt und liegt im Himalaya direkt neben dem Mount Everest. Ein 45 bis 50 Grad steiles Couloir bietet eine traumhafte Abfahrt, von der zahlreiche Freerider und Alpinisten träumen. Doch noch nie zuvor ist es jemandem gelungen, dieses Couloir zu bezwingen.

Hilaree Nelson und Jim Morrison haben sich der Mission Lhotse und Abfahrt auf Skiern gestellt und präsentieren auf der European Outdoor Film Tour ihre Erlebnisse. Wir haben uns mit ihnen im Interview über dieses außergewöhnliche Projekt unterhalten.

Wann genau war eure Expedition auf den Lhotse?

Hilaree: Ziemlich genau vor einem Jahr.

Wie lange hat die Planung für so ein ambitioniertes Projekt gedauert?

Jim: Das ganze Leben. (lacht)

Hilaree: Wir haben fast zwei Jahre dafür trainiert, und die konkrete Planung hat dann ungefähr acht Wochen gedauert. Das war eine sehr intensive Zeit.

Die Idee, den Lhotse mit den Skis zu befahren, hattet ihr aber sicher schon länger, oder?

Jim: Die Idee hatten wir schon Jahre zuvor, aber konkret wurde es dann erst wenige Monate davor.

Hilaree: Wir haben die Idee für die Expedition im September 2017 an unseren Hauptsponsor herangetragen, denn der hat ein Team, das sich ausschließlich um die Organisation und Genehmigungen für solche Expeditionen kümmert und auch den Großteil der Finanzierung übernimmt.

Wie viele Leute waren in eurem Team?

Jim: Neben uns beiden gehörten zwei Fotografen, fünf Sherpas und zwei Ärzte im Basecamp dazu.

Hilaree: Einige davon sind aber im Basecamp geblieben. Bis ganz oben haben es wir, zwei Sherpas und erstaunlicherweise der Fotograf und Filmer geschafft. Das hätten wir nie gedacht. Sie waren vorher noch nie über 5000 Meter und wir haben das auch gar nicht von ihnen verlangt. Aber die zwei waren unglaublich motiviert.

Lief denn alles nach Plan während der Expedition?

Jim: Wir hatten Glück. Gerade Faktoren wie Schneelage und Wetter waren perfekt. Es gab schon einige Versuche, den Lhotse zu befahren, aber bis dato waren alle gescheitert.  Auch Hillaree hat es 2011 versucht und es nicht geschafft.

Hillaree: Ich hatte damals meine Ski dabei, aber es gab kaum Schnee. Das Lhotse Couloir war 70 Prozent Felsen. Auch am Everest lag kaum Schnee.

Wie groß ist die Gefahr, bei einer solchen Expedition mit unsicheren Verhältnissen abzufahren?

Hillaree: Unser Ziel war es, so gut wie möglich auf den „magischen Tag“ vorbereitet zu sein, damit wir sofort loskönnen, wenn das Wetter passt. Es ging alles sehr schnell, denn wir hatten ein Zeitfenster bis zum 15. Oktober eingeplant. Idealerweise hätten wir im Camp 2 eine längere Pause vor dem letzten Aufstieg einlegen sollen, aber das Wetter hat gepasst, also sind wir los.

Wie hat sich euer Körper trotz kurzer Eingewöhnungsphase an die Bedingungen angepasst?

Jim: Es war wirklich sehr hart und an der Grenze des Machbaren. Der Weg zu Camp 2 und zum Übernachtungsspot in Camp 3 war sehr hart, und eigentlich hätte man sich danach ausruhen müssen. Aber wir haben es durchgezogen und wurden belohnt.

Wie habt Ihr euch gefühlt, als ihr nach der Abfahrt zurück im Camp wart?

Hillaree: Als wir zurück im Basecamp ankamen, waren wir fix und fertig. Aber man ist einfach so überwältigt von den Emotionen und dem Adrenalin nach so einem Trip.

Was ist den euer Geheimnis, um solche Strapazen auszuhalten?

Hillaree: Ich mag es zu leiden. Das macht für mich eine gute Expedition aus. Wenn Du nicht wirklich leidest, dann pusht du einfach nicht genug. Ich mag das. Für mich geht es um die Überwindung von heftigen Momenten. Und genau in diesen Momenten ist man ganz da und erlebt den Moment ganz intensiv.

Jim: Ich sage mir in heftigen Momenten immer, dass ich mich nicht verrückt machen muss, denn der Zustand wird sich immer wieder verändern. Im Guten und im Schlechten.

Habt ihr einen Trick, um euch zu motivieren, wenn es mal nicht so gut läuft?

Hillaree: Ich fange an zu zählen. Ich gehe dann nach und nach meine Familie durch und zähle das Alter zusammen. Von meinem Vater bis zu meinen Kindern. Oder ich zähle einfach die Fußstapfen. Für mich hat es was Meditatives.

Jim: Zählen mache ich nur, wenn es wirklich ernst wird und ich einen Fuß nach dem anderen setzen muss. Manchmal schaffe ich es bis 700, aber manchmal auch nur bis 6 und muss eine Pause machen.

Wie ist es mit Musik: Bringt das was?

Jim: Ich höre zwar echt gerne Musik, aber gerade in höheren Gefilden höre ich nie Musik, da ich mit den anderen kommunizieren will.

Hillaree: Ich höre auch keine Musik, aber ich hatte schon öfter schreckliche Ohrwürmer, die ich dann nicht mehr aus dem Kopf bekam.

Wenn man eine klassische Expedition macht, dann ist der Gipfel das Ziel und man kann sich die Reserven für den Weg nach unten gut einteilen. Wie ist das bei euch, gerade wenn ihr noch unglaublich viel Power für die Abfahrt benötigt?

Hillaree: Wir haben schon einige Abfahren in diesen Höhen gemacht und wissen mittlerweile ganz gut, wie man sich die Kraft einteilt.

Jim: Es ist tatsächlich die Erfahrung, die hier eine große Rolle spielt. Es ist natürlich ein schmaler Grat, zu wissen, wann man zu erschöpft ist, um noch Ski zu fahren. Aber auf dem Lhotse war ich sehr heiß darauf, meine Ski anzuschnallen. Es verändert sich auch die ganze Wahrnehmung, wenn man plötzlich auf Ski steht.

Hillaree: Ich fahre so viel Ski, dass es für mich wahrscheinlich anstrengender wäre, zu Fuß runterzulaufen. Mit den Ski kann ich unterschiedliche Muskelgruppen einsetzen und ich versuche, alles was ich hochlaufe, mit den Ski wieder abzufahren. Vom Berg zu laufen, ist für mich der absolute Horror.

Für Skifahrer und Snowboarder, die Touren gehen, ist es meist auch ein Gefühl der Sicherheit, wenn sie auf dem Board oder Ski stehen. Ist das bei euch auch so?

Hillaree: Ja, genau. Plötzlich schaut alles ganz anders aus und die Wahrnehmung ist eine andere.

Jim: Stimmt. Das ist gerade beim Anstieg immer unglaublich. Wenn es ein richtig steiler Weg bergauf ist und man sich Sorgen macht, ob man hier jemals wieder runterkommt – sobald die Ski an den Füßen sind, ist alles easy.

Eigentlich schade für viele Bergsteiger, die sich den Spaß der Abfahrt entgehen lassen, oder?

Hillaree: Absolut. Für die meisten ist der Gipfel das Ziel, aber für mich fängt hier erst der Spaß an.

Konntet ihr wirklich mit den Ski bis nach ganz unten abfahren ohne euch abzuseilen?

Hillaree: Die Bedingungen waren wirklich unglaublich gut, dass wir komplett auf Ski fahren konnten. Wir hatten keine zu großen Erwartungen, gerade, weil ich schon mal da war und einige Stellen nicht wirklich ersichtlich waren.

Jim: Es war uns sehr wichtig, den Berg so gut wie möglich abzufahren, ohne Seil und andere Hilfsmittel. Wir haben tatsächlich auf dem Gipfel die Ski angezogen und sind bis zum Camp 2 abgefahren. Unglaublich!

Wie habt ihr euch während der Abfahrt orientiert?

Hillaree: Wir sind mehr oder weniger die Aufstiegspur abgefahren und hatten alles im Kopf. Weiter unten hatten wir ein offenes Feld und konnten etwas freier fahren.

Was steht als nächstes an?

Hillaree: Wir haben ein paar Ideen – diesen Januar steht die Antarktis auf dem Programm.

Jim: Wir wollen ein Erstbefahrungen im Vinson-Massiv machen und hoffen auf einen guten Winter.

European Outdoor Film Tour 2019/20

Am Samstag, den 19. Oktober, wird die European Outdoor Film Tour 2019/20 unter anderem mit dem Film Lhotse in Berlin zu Gast sein. Dann geht es weiter in zahlreiche europäische Städte und endet im hohen Norden Deutschlands, in Flensburg, Anfang Februar. Hier findet ihr alle Tourstopps.

Insgesamt sind neun Filme aus den Bereichen Outdoor, Klettern, Ski, Snowboard und Golf zu sehen. Mehr Infos findet ihr hier.

Die nächsten Stops in der Übersicht:

 


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