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Getting High | Wie Christian Fletcher die Aerial Revolution im Surfen forcierte

So veränderte ein junger Punk aus Kalifornien in den frühen 90ern das professionelle Surfen nachhaltig

Wir haben uns mit Jeep zusammengetan, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum feiern, um einige der ultimativen Renegates aus der Welt des Actionsports zu präsentieren – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Christian Fletcher ist eines der herausragenden Beispiele im Surfen. In den späten 80er und frühen 90er Jahren erschütterte er die professionelle Szene in dessen Kern mit seiner Punk-Rock-Haltung und Aufmerksam erregenden Aerials. Nachdem er im Anschluss durch Drogen- und Alkoholprobleme gekämpft hat, genießt er heute noch Legendenstatus in der Szene und spielt immer noch nach seinen eigenen Regeln.

„Ich stehe auf Speed. In jeder Form. Ich habe nur mittlerweile einige Dinge in der Richtung an den Nagel gehängt.“ Christian Fletcher blickt in die Kamera, Sonnenbrille aufgezogen, Zigarette in der Hand, ein Lächeln flackert kurz über sein Gesicht. Einige seiner selbstzerstörerischen Gewohnheiten habe er heutzutage abgelegt, erzählt er uns, aber das Filmmaterial auf dem Bildschirm zeigt ihn, wie er sich auf seinem Motorrad grölend durch engen Verkehr schlängelt, als sei er ein Testosteron-gesteuerter Teenager. Er mag sich zwar seinem 50. Geburtstag nähern, aber es wird unmittelbar klar, dass der legendäre Höllenhund keine wirkliche Absicht pflegt, sich in absehbarer Zeit großartig zu bremsen.

Um ehrlich zu sein, ist es kaum verwunderlich, dass Christian Fletcher nicht als der durchschnittliche Endvierziger daherkommt. Fletcher war nie bei irgendetwas durchschnittlich unterwegs. Im Laufe einiger kurzer, explosiver Saisons in den späten 80er und frühen 90er Jahren erschütterte der ungehobelte Emporkömmling die Welt des professionellen Surfens so in seinen Grundfesten, dass sein Einfluss heute noch spürbar ist.

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Fletcher heute. Foto: Screenshot

Geboren in Hawaii im Jahr 1970, zog Fletcher im Alter von vier Jahren mit seiner Familie nach Kalifornien und begann jung mit dem Surfen. Das Talent für den Sport liegt den Fletchers im Blut. Sein Vater Herbie ist ein legendärer Longboarder, der Christians Mutter beim Surfen kennengelernt hatte. Ihr Vater Walter Hoffman, ebenfalls Surfer, war tatsächlich der Mann, der Hawaii-Shirts berühmt gemacht hat, nachdem einer seiner Entwürfe in der US-amerikanische Fernsehserie Magnum aufgetaucht war. Fletchers Tante war zudem die zweifache Weltmeisterin Joyce Hoffman.

Dank seines Vaters entwickelte sich das Talent von Christen schnell, aber es sollte sich auch in eine andere Richtung verlagern. Seine Eltern strahlten eher entspannte Longboard-Vibes aus, Herbie zählte Mitglieder der Grateful Dead zu seinen Freunden. Aber Christian, der in den späten 1980er Jahren entscheidend geprägt wurde, bevorzugte Thrash Metal, Tattoos und Skateboarden. Diese Einflüsse übertrugen sich direkt auf sein Surfen, als er seinen eigenen Weg verfolgte – zunächst als Amateur und dann auch als zunehmend hochkarätiger Profi. Anstatt Carves mit Longboards legte Christian Wert auf aggressive Cutbacks und ganz besonders: Aerials.

„Die besten Surfer der Welt forderten von den Redakteuren des Surfer, Features von ihm aus dem Magazin zu verbannen.“

Surfer hatten zwar schon in den späten 70er Jahren begonnen mit Aerials zu experimentieren, aber es waren Christian und seine Crew, die es auf das nächste Level hievten, dabei höher flogen als irgendjemand zuvor und die Tricks direkt vom Skateboarden übertrugen – Indy Grabs, Mute Grabs und dergleichen. Es klingt in der heutigen Ära beinahe unvorstellbar, in der Aerials einen wesentlichen Bestandteil im Arsenal der Contest-Surfer bilden, dass solche Manöver in den späten 80er Jahren nicht nur als ungewöhnlich galten, sie waren regelrecht verpönt. Es sei chaotisch und unelegant, kommentierten traditionelle Surfer den Trend. Es wurde nicht als „echtes“ Surfen anerkannt.

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Fletcher mit seinem Vater Herbie. Foto: Encyclopedia of Surfing

Auch wenn Christians Aerial-Tricks einige Leute beeindruckte, seine Punk-Rock-Attitude (die auch direkt vom Skateboarden kam) erzeugte massiven Gegenwind. Berühmt für seinen Trash Talk gegenüber anderen Surfern, zeigte er auch wenig Rücksicht auf die Etikette im Line-up. „Ich war in einem Heat mit Christian Fletcher“, erzählte Ozzie Wright kürzlich gegenüber dem Surf Europe Magazine, „und er droppte mir erst rein und zog einen Air. Dann auf einer der nächsten Wellen, paddelte ich gerade wieder raus und er machte den nächsten Aerial direkt über meinem Kopf. Sie waren solche Punks.“

Natürlich war ein junger, rücksichtsloser Surfer, der mit Konventionen brach und sein eigenes Süppchen kochte, ein gefundenes Fressen für die Medien. Aerials sorgten für großartige Fotos in den Magazinen, und in den frühen 90ern hatte Christian die begehrten Cover von Surfer und Surfing eingesackt. Erschüttert von der Publicity, die dieser ungeliebte Aufsteiger bekam, schrieben einige der weltbesten Surfer (einschließlich der Top 16 der damaligen World Tour) an die Redakteure von Surfer mit der Forderung, Features von ihm aus dem Magazin zu verbannen.

Ihr verächtlicher Brief liest sich heute ziemlich unterhaltsam. Schon damals sorgte es aber nur dafür, Christians Ruf noch zu untermauern. Wie Matt Warshaw, geschäftsführender Redakteur von Surfer damals, erklärte: „Die einfachste Entscheidung des Monats war, diesen Brief an die Spitze der Rubrik „Leserbriefe“ zu setzen, um mich danach zurückzulehnen und abzuwarten, wie die Leser sie dafür grillen würden. Was sie natürlich auch getan haben.“

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Der verächtliche Brief über Christian von einigen Pros… veröffentlicht im Surfer Magazine.

Aber während die Fans ihn liebten, verachteten die Judges bei Contests Fletcher ähnlich wie die Konkurrenz auf der Tour. „Die Judges konnten nie richtig bewerten, was Christian ablieferte. Er war allen anderen so weit voraus“, sagte seine Mutter Dibi der New York Times vor Kurzem. Sie beschreibt, dass sie seine Manöver nicht nachvollziehen, geschweige denn wissen konnten, wie sie die Airs bewerten sollten. Das entspricht bis zu einem gewissen Punkt der Wahrheit, aber Christian war andererseits zu dieser Zeit sicher in der Lage, Wettbewerbe zu gewinnen.

1989 nahm er beim Body Glove Surf Bout den größten Preisgeldtopf mit nach Hause, der jemals im Surfen an bis dato vergeben worden war. „I couldn’t give a f*ck about being world champion“, sagte er einmal dem Surfing Magazine. Bei mindestens einer Gelegenheit surfte er eine Welle bis auf den Strand mit zwei ausgestreckten Mittelfingern, die direkt auf die Judges gerichtet war.

Fletcher in action as a young man. Photo: Screenshot

Außerhalb des Wassers war Fletcher sogar noch kompromissloser unterwegs. In LA spielte er in Metal-Bands mit Namen wie Axefukk und Mutilage. Zwischenzeitlich zählte ein Porno-Store in Orange County namens Spankys zu seinen Sponsoren. Er geriet in die Kreise der Hell’s Angels und befand sich mehr als nur einmal auf der falschen Seite des Gesetzes. In der seinerzeit für exzessives Feiern bekannten Surfindustrie gewann Christian einen Ruf besonders harter Partygänger.

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Fletcher posiert mit Gummimaske für ein Interview im Juice Magazine.

Als die 90er Jahre fortschritten, begannen ihn die Exzesse jedoch einzuholen. Er durchlebte mehrere Phasen der Heroinsucht und die Surfboard- und Bekleidungsmarke im Punk-Look, die er 1991 gegründet hatte, scheiterte. Auch als der Einfluss seiner tricks auf das Surfen mehr und mehr offensichtlich wurde, Aerials sich langsam bei Contests und in Videos etablierten, verlor Christian sich selbst immer mehr. In einem Stadium gab er das Surfen sogar komplett auf.

“Live fast, die last!“

In vielerlei Hinsicht ist es überraschend, dass Christian es bis zum Alter von 46 Jahren geschafft hat. Aber mit Hilfe seiner unterstützenden Familie (einschließlich seines Sohnes Greyson Fletcher, selbst ein talentierter Skater) hat er das Ruder in den letzten Jahren rumgerissen. Als er den Filmemachern von What Youth erzählt, liebt er es immer noch zu surfen. Und wie ihre Aufnahmen zeigen, steht er immer noch auf Street Bikes und Heavy Metal. Aber sein Mantra heutzutage lautet „live fast, die last“.

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