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Ice Mermaid Melissa Kegler Eisschwimmen

Outdoor

Eisschwimmerin Melissa Kegler – “Das Wasser nimmt dich an, wie du bist!” 

Die "Ice Mermaid": Ein Interview über die Faszination des Eisschwimmens und die Rolle des Körpergewichts dabei.

Das Schwimmen in Wasser unter fünf Grad Celsius ohne Neoprenanzug ist psychisch und physisch extrem herausfordernd. Doch genau das ist Melissa Keglers Leidenschaft. 

Die 39-jährige Eisschwimmerin aus Seattle schwamm kürzlich in 51 Minuten und 26 Sekunden über 2 Kilometer in eiskaltem Wasser und stellte so einen neuen amerikanischen Rekord auf. Doch für Melissa Kegler ist die Auszeichnung als Rekordhalterin nicht das Wichtigste. Sie möchte vor allem zeigen, dass sportlicher Erfolg nicht immer von stereotypischen Körperidealen abhängt, denn neben den physischen Herausforderungen des kalten Wassers muss Melissa Kegler mit gesellschaftlichen Vorurteilen kämpfen.

Im Film „Ice Mermaid“ beweist sie, dass ihr nicht stereotypisch-athletischer Körper sie beim Eisschwimmen nicht behindert, sondern vielleicht sogar zu einer Geheimwaffe wird. Wir haben Melissa Kegler im Zuge der Premiere der Ocean Filmtour Vol. 10 einige Fragen gestellt. Über ihre Motivation, Selbstliebe, darüber, wie das Eisschwimmen ihr Leben verändert hat und wie ihr Übergewicht beim Schwimmen helfen kann.

Melissa Kegler Eisschwimmerin

Hey Melissa. Die meisten Leute würden sich niemals freiwillig in 5 Grad kaltes Wasser trauen. Doch gerade da fühlst du dich wohl. Warum Eisschwimmen?

Warum nicht! Genau so bin ich zum Eisschwimmen gekommen. Ein Schwimmer bemerkte, dass ich mich gut an die Kälte anpassen kann, und stellte mir einfach eine Frage: „Willst du eine Eismeile ausprobieren?“ Ich hatte keine Ahnung, was das war oder was Eisschwimmen überhaupt ist, aber ich dachte: “Klar, warum nicht, das klingt nach einer guten Idee!”. Im Nachhinein betrachtet ist es verrückt, aber ich hatte keine Angst (wahrscheinlich, weil ich so naiv über Eisschwimmen gedacht habe), ich sah es einfach als etwas Neues an, das es zu entdecken galt.

Die Frage des Schwimmers hat mich viel gelehrt, darüber, wie und was wir anderen mitteilen können. Eine Frage, eine Formulierung, ein Satz kann das ganze Leben eines Menschen verändern. Seine Frage war diese Veränderung für mich, sie hat mein ganzes Leben verändert.

„BEVOR ICH MIT DEM SCHWIMMEN ANFING, BENUTZTE ICH MEINEN KÖRPER NICHT. ES DAUERTE VIELE JAHRE BIS MIR KLAR WURDE, DASS MEINE FIGUR GENAU RICHTIG IST, UM ZIELE ZU ERREICHEN, DIE MIR NOCH GAR NICHT BEWUSST WAREN.“

Was gibt dir das Eisschwimmen?

Nachdem ich nun mehr Erfahrung im Eisschwimmen gesammelt habe, bleibt der Grund, warum ich schwimme, derselbe wie beim Schwimmen im Meer. Es geht um Erkundung, Lernen, Selbsterkenntnis, den Aufbau einer Gemeinschaft, die Schaffung eines sicheren Raums, in dem andere ihre Träume erkunden können, und die Weitergabe von Wissen durch Geschichten. Ich persönlich bin der Meinung, dass es keine Rolle spielt, was wir erreichen, wenn wir unsere Reise und Erfahrungen nicht mit anderen teilen, um das natürliche Wunder des menschlichen Geistes zu fördern.

Aber ohne Geduld und Einfühlungsvermögen ist die Geschichte für andere nicht nachvollziehbar, und wenn die Geschichte nicht nachvollziehbar ist, verblasst das schöne Flackern des Wunders.

Ich hoffe, dass meine Reise zur Entwicklung des Sports beiträgt und andere dazu inspiriert, von größeren und besseren Dingen zu träumen.

Melissa Kegler Eisschwimmerin

Was hat dich dazu motiviert, einen amerikanischen Rekord über 2 km im Eisschwimmen aufzustellen? 

Meine Motivation bestand nicht unbedingt darin, einen Rekord aufzustellen, sondern eher darin, zu lernen, wozu ich fähig bin. Meine erste Eismeile lief wirklich gut und ich dachte sofort, dass ich zu mehr fähig sei. Aber zu wie viel mehr? Wo liegen die Grenze meiner Komfortzone und was liegt dahinter? Diese Frage hat meine Motivation, zu erforschen, was möglich ist, und die Grenzen meines Körpers auszutesten, wirklich angeheizt. 

Ursprünglich wollte ich eine 2 km lange Strecke im Eis schwimmen, bin dann aber mit dem Kajak gefahren, um einige Freunde zu unterstützen, die an unserem örtlichen Strand eine 2,2 km lange Strecke in etwa 10 °C warmem Wasser schwimmen wollten. Wir haben uns im Vorfeld darauf geeinigt, dass ich, wenn sie alle ihr Saisonziel von 2,2 km Schwimmen erreichen, auch 2,2 km schwimmen werde. Meine Freunde haben es alle geschafft, und so entstand die Idee zu diesem Rekord. Das ist auch einer der Gründe, warum ich glaube, dass die Gemeinschaft so wichtig ist.

Wenn wir uns selbst anspornen und uns gegenseitig zu größeren und besseren Leistungen herausfordern, inspiriert das andere dazu, darüber nachzudenken, was sie in ihrem Leben tun wollen, sei es im Schwimmen oder in anderen Bereichen des Lebens.

Ich weiß nicht, ob ich mich selbst herausgefordert hätte, die 2,2 km im Eisschwimmen durchzuziehen. Ich wollte es, weil das Ziel eines Einzelnen zu einem Ziel wurde, das wir alle gemeinsam erreichen konnten. 

Wie trainierst du, um dich aufs Eisschwimmen vorzubereiten? Bei zu langer Zeit im kalten Wasser können schließlich die Muskeln versagen. Hast du ein Mantra oder eine mentale Strategie? 

Mein Training ändert sich je nach Ziel, und je kälter das Wasser wird. Je länger das Schwimmen dauert, desto anspruchsvoller wird das Training. Ich habe das Glück, an einem Ort zu leben, an dem das ganze Jahr über überdurchschnittlich kalte Wassertemperaturen herrschen, aber es ist trotzdem nicht kalt genug, um konsequent für das Eisschwimmen zu trainieren. Deshalb muss ich mit dem Training experimentieren, z. B. in Bergseen, in denen es kälter ist. Um diese Bergseen zu erreichen, muss ich erstmal hinwandern. Das birgt jedoch zusätzliche Risiken aufgrund der abgelegenen Lage, des Mangels an Unterstützung und der allgemeinen Gefahren beim Wandern zu dieser Jahreszeit. 

Es geht nicht nur ums Wandern, sondern auch darum, sich selbst und den Berg genau zu kennen. Man muss das Gelände, in dem man wandert, die Wettersysteme, die Auswirkungen des Seebodens und der Waldsedimente auf den Ein- und Ausstieg in den See, die Sonneneinstrahlung, die Selbstrettung und die Tatsache, dass man vielleicht eines Tages nicht mehr lebend herauskommt, kennen. 

Das klingt irgendwie dramatisch und morbide, aber das ist die Realität in einem Terrain, in dem unbekannte Gefahren lauern. In der Vor- und Nachsaison kann es in den Bergen zu unerwarteten Stürmen kommen, man hat es mit überdurchschnittlichen Niederschlägen, Lawinen, Schlammlawinen, wilden Tieren und vielen weiteren unbekannten Gefahren zu tun. 

Eine Wanderung zum Schwimmen klingt lustig, und das ist es auch. Alpenseen und die Unterwassertopografie, die mit dem Schwimmen an diesen Orten einhergeht, sind ein wichtiger Grund, warum ich es liebe: Man lernt etwas über Mutter Natur und die Erde. Aber man muss sich seiner selbst und seiner Umgebung bewusst sein, denn man muss auch wieder vom Berg herunterkommen.

Wie gehst du mit der Angst um, die mit dem Eisschwimmen verbunden ist? Immerhin kann man dabei sterben.

Das ist eine gute Frage. Ich gehe mit der Angst um, indem ich sie akzeptiere und sie in meinen mentalen Prozess integriere. Eisschwimmen ist beängstigend, und ich muss mich dem stellen, wovor ich Angst habe. Ich habe keine andere Wahl, wenn ich mein Ziel erreichen will. Wenn ich also mit der Frage konfrontiert werde, warum ich Angst habe, versuche ich zu verstehen, was die Angst selbst verursacht.

Ich glaube, dass viele Ängste auf Unwissenheit beruhen, und die Angst vor dem, was man nicht versteht oder nicht kennt, äußert sich in Form von Furcht und Unruhe. Während meines Eisschwimmtrainings lege ich großen Wert auf Aufklärung und Selbsterkenntnis, denn um so etwas zu tun und so sicher wie möglich zu sein, muss man alle Aspekte dessen, was man tut, verstehen. Wenn ich mich weiterbilde und mir meiner Selbst bewusst werde, stärkt das meine mentale Entschlossenheit, und was mir früher Angst machte, ist heute nicht mehr beängstigend, weil ich verstehe, was aus einer sachlichen Perspektive passieren könnte.

Wenn man versteht, warum etwas passiert, kann man besser planen, und wenn man plant, dass etwas Schlimmes passiert, ist es in gewisser Weise weniger beängstigend, weil man einen Plan hat. Es wird zu einer „normalen Sache“, auf die man sich vorbereiten kann, und das macht es weniger beängstigend.

Melissa Kegler Eisschwimmerin

Was war deine gefährlichste Situation beim Eisschwimmen bisher?

Ich hatte viele Situationen, in denen ich Angst hatte. Mich hat entweder etwas im Wasser erschreckt, ich war allein oder hatte das Gefühl, dass es besser wäre, aus dem Wasser zu gehen. Die gefährlichste Situation war wahrscheinlich am Ende meines Amy Hiland Double. Ich schwamm von Bremerton nach Alki Point und zurück nach Bremerton hier in Washington. Viele andere Schwimmer hatten den Hinweg bereits geschafft, aber noch niemand war zurück nach Bremerton geschwommen. Es gab also nicht viele Informationen über die 33,6 km lange Strecke bei einer durchschnittlichen Wassertemperatur von 11°C.

Auf dem Rückweg, etwa 250 m vor dem Ziel, mussten wir die Port Washington Narrows durchqueren, um ans Ufer zu gelangen. Die Strömung war viel stärker als erwartet und obwohl ich mich nahe am Begleitboot hielt, sah es so aus, als kämen andere Boote gefährlich nahe an uns heran. Es stellte sich heraus, dass sie gar nicht in Bewegung waren, sondern vor Anker lagen. Wir wurden so schnell zur Seite geschwemmt, dass die anderen Schiffe und Boote den Anschein erweckten, sie würden sich bewegen.

Ich wusste nicht, was los war, denn ich schwamm zu diesem Zeitpunkt schon fast 10,5 Stunden.

Ich war müde und konzentrierte mich nur darauf, in der Nähe des Bootes zu bleiben. Als ich mich dem Ufer näherte, schrien die Leute. Ich dachte, sie würden mich anfeuern, aber dann merkte ich, dass sie mir sagten, ich solle schneller schwimmen. Ich schaute auf das flache Seegras hinunter und mir wurde bewusst, dass ich in Schwierigkeiten steckte. Normalerweise wäre es in Ordnung gewesen, einfach weiter unten in der Enge zu landen, aber an der Stelle, an der ich mich befand, wurde ich seitlich in Richtung eines Hauses geschleudert.

Das Haus stand auf mit Seepocken bedeckten Pylonen über dem Wasser. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Gefühl, dass ich unter das Haus geschleudert werden würde. Ich würde gegen einen Pfeiler prallen und von den Seepocken und Eisenstäben zerfetzt werden. Ich würde verbluten, und das alles vor den Augen meiner Familie. Ich hatte schreckliche Angst und fing an zu sprinten, so schnell ich konnte.

Schließlich erreichte ich den Punkt, an dem ich Land berühren konnte. Ich grub meine Hände in den Boden und hielt mich an allem fest, was ich erreichen konnte. Meine Hände wurden schwer von den Austernschalen verletzt, aber ich schaffte es ans Ufer, bevor ich in den schwarzen Abgrund unter diesem Haus stürzte. Ich konnte kaum atmen, als ich aus dem Wasser stieg, so müde war ich. Aber ich schaffte es ans Ufer. Das war zweifellos der schrecklichste und gefährlichste Moment, den ich je erlebt habe.

Du hast selbst gesagt, dass du nicht wie eine „typische Athletin“ aussiehst. Welche Rolle spielt dein Körper beim Eisschwimmen? 

Das ist eine gute Frage, und es gibt viele Kontroversen innerhalb und außerhalb der Schwimmgemeinschaft darüber, welche Rolle der Körper beim Eisschwimmen spielt. In der Schwimmgemeinschaft gibt es nicht wirklich viele Daten darüber, welche Rolle das Körperfett spielt. Schützt es wirklich die inneren Organe und wenn ja, wie lange? Ich kenne die Antwort darauf nicht, aber ich kann sagen, dass ich, wenn ich abnehme, spüre, dass mir schneller kälter wird. Ich glaube schon, dass das eine Rolle spielt, aber es gibt so viele Faktoren wie die Schwimmgeschwindigkeit, wie schnell sich die Muskeln bewegen (schnell zuckende Fasern), die mehr Körperwärme produzieren, die Geschwindigkeit des Stoffwechsels einer Person oder wie gesund sie im Allgemeinen ist.

Es gibt auch zusätzliche Gesundheitsrisiken, die mit einer größeren Körpergröße einhergehen, und ich mache mir keine Illusionen darüber. Deshalb habe ich ein großartiges medizinisches Team, mit dem ich zusammenarbeite, damit wir das tun können, was für mich richtig ist.

Ich denke, dass jeder Mensch ein Talent für etwas hat, und ich habe festgestellt, dass mein Körper in der Welt des Eisschwimmens sehr gut funktioniert.

Manchmal frage ich mich, wie es aussehen würde, wenn ich ab- oder zunähme, wenn ich an der Schnelligkeit oder mehr an der Ausdauer arbeiten würde, und ich bin glücklich, so wie ich bin. Vielleicht werden sich meine Ziele eines Tages ändern und ich werde meinen Körper an neue Ziele anpassen müssen, aber so wie ich heute bin, bin ich glücklich und mein Körper bringt mich ans Ziel…. sicher zurück ans Ufer. Und deshalb werde ich meinen Körper so belassen, wie er ist, und ihn für das lieben, was er leisten kann.

Das Wasser nimmt dich an, wie du bist!

Melissa Kegler Eisschwimmerin

Wie gehst du mit negativen Kommentaren über deinen Körper um?

In der Regel nehme ich sie mit Humor. Ich erhalte ständig Kommentare über meinen Körper, wahrscheinlich jede Woche. Im Sommer höre ich sie am Strand oder im Fitnessstudio. Natürlich wäre es mir lieber, wenn es solche Kommentare nicht gäbe, aber ich kann es nicht ändern. Manche Kommentare stecke ich leichter weg als andere, aber letztendlich haben sie keine Bedeutung.

Eine Ausnahme war der Arzt, der das Formular unterschreiben musste, damit ich meinen Rekordversuch starten konnte. Er meinte, es könnte gefährlich sein, mit einem Körper wie meinem diesen Rekord zu wagen. Er sprach von möglichen Herzproblemen. Dieser Arzt hatte die Macht, mich von etwas abzuhalten, das ich gerne tun wollte und wozu ich mich körperlich in der Lage fühlte. Die Entscheidung lag nicht mehr in meiner Hand. Eine solche Situation hatte ich schon sehr lange nicht mehr erlebt und sie hat viele Emotionen in mir ausgelöst, mit denen ich erst einmal umgehen musste.

Der Sportarzt warnte dich davor, den Rekord mit deinem Körper zu versuchen, da dies zu Herzproblemen führen könnte. Wie hast du darauf reagiert?

Ehrlich gesagt konnte ich nicht verstehen, wie er auf den Gedanken kam, dass ich ungesund sei.

Ich hatte erst vor 4 oder 5 Monaten das Amy Hiland Double geschwommen, das erste Mal in der Geschichte, dass jemand die Strecke hin und zurück geschafft hat.

Ich hatte hart dafür trainiert, auch für das Eisschwimmen. Seine Worte, dass ich „fettleibig“ sei, hallten in meinem Kopf wider. Als Frau reicht es, dieses Wort einmal zu hören, um es nie zu vergessen. Ich versuchte ihm meine sportliche und gesundheitliche Vorgeschichte zu erklären und dass es nicht seine Aufgabe ist, zu entscheiden, ob ich schwimmen kann oder nicht. Seine Aufgabe ist es lediglich, die medizinischen Fakten zu bestätigen. Mein Arzt vor Ort sollte dann die endgültige Entscheidung treffen.

Er hörte nicht zu und war der Meinung, dass ich ohne zusätzliche Belastungstests und Gewichtsabnahme nicht in der Lage sei, zu schwimmen. Als ich ihm sagte, dass ich bei einer Gewichtsabnahme an Unterkühlung sterben könnte, vor allem wenn ich so viel abnehme, dass ich meinen idealen BMI erreiche, merkte ich, dass er nicht wirklich verstand, was ich sagte. Ich ging zu meinem Auto, wo Glenn, mein Lebenspartner, auf mich wartete, und brach in Tränen aus. In diesem Moment dachte ich, dass mein Traum vorbei sei und all meine harte Arbeit umsonst war.

Dieser eine Mann hatte seine Autorität missbraucht, um über mein Ziel zu bestimmen. Ich geriet in Panik und ließ meinen Gefühlen freien Lauf, aber dann machte ich mich wieder an die Arbeit, um einen anderen Weg zu finden. Dieser Arzt hatte das Recht, seine Meinung über meine Gesundheit zu haben, das ist schließlich sein Beruf. Aber ich habe auch das Recht zu entscheiden, was ich angesichts meiner Gesundheit leisten kann und welche Risiken ich eingehen möchte. Es mag zwar morbide klingen, aber wenn ich sterben würde, kennt er mich nicht. Es wird ihm egal sein und sein Leben wird weitergehen. Ich bin der Meinung, dass ich die Risiken kenne und weiß, dass mein Gewicht gewisse Probleme erhöhen kann, aber das bedeutet nicht, dass ich bei diesem Rekordversuch sterben muss. 

Was war dein schönster Moment beim Eisschwimmen?

Mein schönster und denkwürdigster Moment war der Augenblick nach meinem 2,2km-Rekord-Schwimmen, als ich mich aufgewärmt habe und mein Gehirn wieder aktiv wurde. Das Aufwärmen und das Erwachen aus der Unterkühlung sind seltsame Erfahrungen. Man versteht, was vor sich geht, aber auch wieder nicht. Es gibt Erinnerungen, aber auch Phasen des Vergessens. Man sieht und hört Dinge, kann sie aber nicht begreifen. Sprechen ist schwierig, zumindest für mich. Also kommuniziere ich durch Mimik und Tonfall. Man braucht ein spezielles Team, das einen gut kennt, um zu verstehen, was man braucht, wenn man in dieser Zone ist, in der alles passieren kann, in diesem Nebel. Und dann wacht man plötzlich auf. Der Geist wird reaktiviert, man kann wieder sehen, sprechen und hören.

In diesem Moment nahm Will, mein Arzt vor Ort, meinen Herzschlag mit dem Stethoskop auf. Er war die erste Person, die ich sah, und ich erinnere mich noch, wie ich sagte: „Du bist Will“, und er antwortete: „Ja, das bin ich.“ Dann drehte ich den Kopf und sah mein ganzes Team, das mich ansah, sich um mich kümmerte und für mich sorgte. Ich sagte: „Und ihr seid alle noch hier“, fast ungläubig. Eine Welle von Emotionen und Dankbarkeit überkam mich, dass ich solch großartige Freunde habe, die bereit sind, mit anzusehen, wie ihre Freundin leidet, Schmerzen hat und ihr dabei helfen, diese zu überwinden, um ein Ziel zu erreichen. Ich bin so dankbar, dass mir vor Liebe zu diesen Menschen die Tränen in die Augen schießen würden, wenn meine Tränenkanäle nicht immer noch gefroren wären. Ich weine immer noch, wenn ich an diesen Moment denke.

Beim Schwimmen triffst du regelmäßig auf die gleichen Robben. Wie heißen sie und was bedeuten sie für dich?

Meine Robben… (lächelt). Im Laufe der Jahre habe ich immer wieder die gleichen Robben getroffen. Anfangs konnte ich anhand ihrer Persönlichkeit erahnen, dass es sich immer um dieselben Tiere handelte. Aber erst als ich Molly traf und ihr einzigartiges Fleckenmuster erkannte, konnte ich die Robben, mit denen ich schwamm, identifizieren. Einige Jahre später erfuhr ich von einem Wildtierexperten, dass Robben einzigartige Fleckenmuster haben, ähnlich wie Menschen einzigartige Fingerabdrücke. Ich habe im Laufe der Zeit Fotos und Aufzeichnungen von meinen Robben gemacht, um meine eigene Theorie zu beweisen. Die Bestätigung durch den Wildtierexperten hat mich sehr gefreut und mir gezeigt, dass meine verrückten Ideen manchmal gar nicht so verrückt sind!

Meine erste Robbe war Molly. Sie schwamm immer mit mir, außer wenn der andere Schwimmer Andrew in der Nähe war, dann wählte sie ihn. Dann war da Orton, der sehr sozial war und immer am Abflussrohr nach Fischen Ausschau hielt. Im Jahr 2018 traf ich Georgie beim Training für den Ärmelkanal. Er schwamm 3-4 Stunden am Stück mit mir und wurde zu einem festen Bestandteil meines Strandlebens. Er war ein Freund, ein Trainingspartner, jemand, auf dessen Besuch ich mich freute und der mir das Gefühl gab, nicht allein zu sein. Als ich aus England zurückkam, war er verschwunden.

Einige Jahre später, Ende 2020, traf ich an einem anderen Strand eine Robbe im Seegras. Als ich sie ansah, hatte ich das seltsame Gefühl, sie schon einmal gesehen zu haben. Ich verglich meine Notizen und es war Georgie! Er war erwachsen geworden und etwas misstrauischer gegenüber Menschen, aber wir hatten immer noch diese Verbindung und ich sehe ihn von Zeit zu Zeit.

Es gibt auch Thomas, Sausage II, Luna und Lyra. Andere kommen und gehen, wie Sausage, Ivy, Peanut, Buddy, Jelly, Freckles und Spot. Sie kamen mir nie nahe genug, um ihre Fleckenmuster genau zu erkennen. Es macht Spaß zu sehen, wie ihre Familien wachsen, wie Luna und ihr neues Baby Lyra, und sich mit etwas Größerem als mir verbunden zu fühlen – einem ganzen Lebenszyklus und den Ökosystemen im Ozean.

Ihre Namen haben keine besondere Bedeutung, sondern sind Namen, die der Ozean ihnen gibt. Ich gebe ihnen Namen, die mir beim Schwimmen in den Sinn kommen und zu ihrer Persönlichkeit passen. Ich habe einfach das Glück, mit solch wunderschönen Tieren zu schwimmen, eine Bindung zu ihnen aufzubauen und sie beim Wachsen und Entwickeln zu beobachten. Das ist der Hauptgrund, warum ich jetzt mit Unterstützungs- und Schutzgruppen wie SR3 zusammenarbeite, um ihre Gesundheit und Sicherheit zu gewährleisten.

Was kommt als Nächstes? Willst du weitere Rekorde aufstellen?

Ich habe noch ein paar Ideen, an denen ich arbeite, aber nach meiner Schulteroperation im letzten Jahr muss ich erst einmal wieder ins Wasser und herausfinden, wie das Schwimmen für mich aussieht. Ich bin auf jeden Fall daran interessiert, die Magellanstraße am südlichen Ende von Chile zu durchschwimmen. Es ist ein sehr interessantes Gewässer, das schön und turbulent zugleich sein kann, eine Herausforderung und eine neue Lernerfahrung. Ich war noch nie in Südamerika und denke, dass es eine tolle kulturelle Erfahrung wäre. Ich möchte noch ein bisschen weiter als 2,2 km schwimmen, aber ich weiß noch nicht genau, wie das aussehen soll.

Es ist ziemlich beängstigend, sich und seinen Körper erneut einem solchen traumatischen Ereignis auszusetzen. Ich betrachte das Eisschwimmen als einen Sport, bei dem man sich selbst unterkühlt, und es birgt echte Gefahren.

Deshalb bin ich nervös, wenn ich mich entschließe, die Distanz zu verlängern, und möchte sichergehen, dass es sicher ist und ich das Schwimmen verantwortungsvoll angehe. Ich möchte mich natürlich nicht selbst in Gefahr bringen und bin mir auch bewusst, was es für meine Crew bedeutet, dass ich sicher bin. Es wird noch mehr kommen, ich freue mich auf jeden Fall darauf, die nächsten 2-3 Jahre zu planen!

Melissa Kegler Eisschwimmerin

Infos zum Film „Ice Mermaid“

  • Länge: 25 min (Int. OCEAN FILM TOUR edit)
  • Wo zu sehen? Ocean Film Tour Volume 10
  • Regie: Dan McComb
  • Produktion: 2022, USA, Dan McComb

Alle Infos zur OCEANFILM TOUR, wo auch der Film „Born To Windsurf gezeigt wird“, gibt es hier!

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