Seine besten Fotos schießt er an Orten, die nur wenige Menschen zu Gesicht bekommen, ihre Bildsprache erzählt eindrucksvolle Geschichten vom Verlassen der Komfortzone für ganz spezielle Momente. Zwanzig Minuten Interview mit Chris Burkard, vielleicht werden es auch nur 15, was wohl davon abhängt, wie engmaschig das Terminnetz des derzeit erfolgreichsten Outdoor-Fotografen im Business heute ist. Die erfolgreiche Kinotour zu seinem Film Under An Arctic Sky durch Europas Metropolen lag im Jahr 2017 gerade hinter ihm, da warteten die nächsten Projekte bereits.
Bekannt wurde der 33-Jährige durch seine Fotos von Surfern in den rauesten Gegenden der Welt von Alaska bis Island, er schaffte den Aufstieg zum Senior Staff Photographerer beim Surfer Magazine, setzte sich 2010 beim renommierten Contest Red Bull Illume gegen härteste Konkurrenz durch. Sein Ziel war es immer, andere zu begeistern und die natürliche Schönheit unseres Planeten mit so vielen Menschen wie möglich zu teilen – Mission erfüllt, bei mittlerweile fast drei Millionen Instagram-Followern. Ausreichende Motive also, um dem Erfolgsrezept des Kaliforniers auf den Grund zu gehen.
Wann hast du realisiert, wie schwierig es ist, ausschließlich von der Surffotografie den Lebensunterhalt zu bestreiten?
Es ist unmöglich, nur davon zu leben. Deshalb habe ich mich an einem bestimmten Punkt in eine andere Richtung entwickelt, um über die Runden zu kommen – auch mit kommerziellen Shootings. Im Surfen liegen zwar meine Wurzeln und es dreht sich immer noch viel darum, aber heutzutage es sind weniger Auftragsarbeiten für Magazine, sondern eher persönliche Trips und Projekte.
Wie hast du es anschließend geschafft, dich von anderen Fotografen abzusetzen?
Lange Zeit schickten mich Redakteure an Orte, die sie im Vorfeld ausgesucht hatten. Irgendwann habe ich realisiert, dass ich damit aufhören muss und mich stattdessen auf Reiseziele fokussiert, die mir persönlich mehr bedeuten. Das war erst einmal verbunden mit noch längeren finanziellen Durststrecken, weil es anfangs schwierig war, damit sein Geld zu verdienen. Es dauerte zwar, aber mit Beharrlichkeit und im Langzeiteffekt zahlte sich der Weg aus.
Es gehört viel Einsatz dazu, an völlig entlegenen Spots Fotoshootings zu realisieren. Wie intensiv ist die Planung, kannst du erklären, wie du dich vorbereitest?
Jahre. Oft mehrere Jahre der Planung. Es gibt nicht wirklich ein Rezept für die perfekte Ausgangssituation. Ich investiere viel Zeit in die Online-Recherche, sammle so immer mehr Informationen bis zum ersten Entwurf einer Idee. Der Prozess nimmt wirklich einen großen Teil meiner Zeit in Anspruch. Oft dauert es viele Monate, bis etwa das Budget überhaupt verfügbar ist und die Zeit wirklich reif ist, eine Story umzusetzen. Es sind aber genau diese Trips, die mir letztlich auch am meisten bedeuten.
Brian Bielmann hat uns den Moment beschrieben, als er das berühmte Bild von Nathan Fletcher in Teahupo’o geschossen hat. Er meinte, es sei ein komisches Gefühl, wenn man realisiert, dass dies die beste Aufnahme und vielleicht der Höhepunkt der fotografischen Karriere sein könnte, weil einfach alles passte. Hattest du ein vergleichbares Erlebnis, lässt sich ein Foto herausheben?
Bei mir ist es die Aufnahme von Josh Mulcoy mit dem Vulkan im Hintergrund auf den Aleuten in Alaska.
Wie speziell war der Moment für dich hinter der Kamera?
Das war einzigartig, bei dem Bild kamen einfach alle Elemente zusammen – dafür lebt man als Fotograf. Das ist exakt der Grund, warum ich das alles auf mich nehme, solche signifikanten Momente bedeuten mir viel. Das geschieht ohne Intention, man kann so etwas nicht bis zu Ende planen, es passiert einfach. Natürlich versucht man alles, um solche Situationen einzufangen, aber vor der Reise wussten wir beispielsweise überhaupt nicht, dass ausgerechnet in der Bucht zu dieser Zeit so eine gute Welle bricht. Die besten Momente sind diejenigen, auf die man sich gar nicht vorbereiten kann. Du sorgst für die beste Planung mit dem passenden Equipment und räumst dir selbst kreativen Freiraum ein in Bezug auf das, was um dich herum passiert. Das macht den Prozesses wirklich außergewöhnlich.
Wie wichtig ist Intuition für das richtige Timing, um ein spezielles Foto zu schießen?
Intuition spielt schon eine große Rolle. Während einer Reise vertraut man auf die Erfahrung aller Beteiligten, beispielsweise in Bezug auf Wind, Gezeiten, Swell oder bestimmtes Wissen von Locals. Man muss einfach oft die Ruhe bewahren und den richtigen Zeitpunkt abpassen.
Was macht den Unterschied und Reiz aus, unter rauen Bedingungen ein Shooting in der Arktis zu organisieren, anstatt einen Bootstrip auf die Mentawais zu begleiten?
Um es einfach auszudrücken: 7 Millimeter Neopren (lacht). Wenn man es wirklich runterbricht, ist ein Trip in den hohen Norden ein mit wenigen anderen geteiltes Erlebnis, bei dem man sich stärker auf alles einlassen muss, ein völlig anderes Ziel verfolgt. Es zwingt gleichzeitig alle, sich aufeinander verlassen zu können. Selbstvertrauen spielt dabei auch eine größere Rolle.
Es gab eine kritische Situation auf einer der Reisen nach Island, als du im Wasser fast ohnmächtig geworden bist, ohne zu wissen, in welche Richtung du abdriftest. Wie oft überschreitet man eine Grenze für Footage?
Vergleichbare Situationen passieren deutlich häufiger, als mir lieb wäre. Darauf kann man sich auch vorher nicht einstellen, aber der Schlüssel ist, zu begreifen, dass in neun von zehn Fällen solche Erlebnisse in dem Moment selbst angsteinflößender wirken, als sie dann tatsächlich sind. Mittlerweile weiß ich es zu schätzen, was man daraus lernt und mitnimmt.
Du hast auch einige Engagements für Unternehmen wie Apple, Sony oder American Airlines angenommen. Wo würdest du klar eine Linie ziehen und Anfragen ablehnen?
Die Wahrheit sieht eben so aus, dass meine Arbeit kommerzielle Fotografie ist. Damit bezahle ich meine Rechnungen, so verdiene ich meinen Lebensunterhalt. Auf meinem Schreibtisch liegen einige Aufträge für Standard-Lifeshots, die ich nicht akzeptiere. Ich fotografiere ja beinahe alles, aber wenn ich mit meinem Namen dafür stehen soll, oder sogar vor der Kamera stehen muss, will ich sicher sein, dass meine moralischen Werte nicht untergraben werden. Ich lehne Angebote ab, die meinem Anspruch nicht gerecht werden und achte darauf, ob sie zu meinen persönlichen Interessen passen, im Idealfall die Natur zelebrieren. Bereiche wie die kommerzielle Porträtfotografie zählen auch einfach nicht zu meinem Metier. Wer mich bucht, weiß ja in der Regel, was er bekommt.
Es ist schwer zu übersehen, dass du im Laufe eines Jahres viel unterwegs bist. Wie bringst du das mit dem Familienleben in Einklang und wo siehst du dich in ein paar Jahren?
Gute Frage, die stelle ich mir selbst oft. Um ehrlich zu sein, ist es ganz schön schwer. Wenn ich zu weit in die Zukunft blicke, realisiere ich, nicht wirklich in der Gegenwart zu leben. Ich verfolge jetzt nicht mehr unglaublich ambitionierte Ziele – ich hatte früher Unmengen an beruflichen Zielen, die sich durch harte Arbeit zum Glück früh in meiner Karriere schon erfüllt haben. Es warten noch Jahre der Wertschätzung dessen, was auf dem Weg alles passiert ist.
Erfolg ändert manchmal ein paar Dinge. Wie gehst du mit negativen Aspekten des Hypes um, oder ist das Berufliche noch auf einem angenehmen Level mit sogar mehr Entscheidungsspielraum?
Der Erfolg hat in der Hinsicht für mich eigentlich gar nicht so viel verändert. Ich darf immer noch mit den Leuten zusammenarbeiten, die immer um mich herum waren, mich am meisten inspirieren, und das ist der coolste Teil dabei. Genauso freue ich mich aber auch jedes Mal, auf neue Leute zu treffen, von ihnen frischen Input zu bekommen und zu lernen. Das hat auch seinen Reiz.
Was würdest du Anfängern raten in dem heute ziemlich umkämpften Markt?
Man muss sich nicht darauf konzentrieren, alles gut fotografieren zu können. Lieber sollte man seine Nische finden, denn das ist es, weswegen du später engagiert wirst, wenn du wirklich gut bei einer Sache bist und in diesem bestimmten Bereich außergewöhnliche Arbeit ablieferst. Ein Fotograf, der sich spezialisiert, verfügt meistens im Vergleich über ausgereiftere Talente. So habe ich es jedenfalls oft wahrgenommen, auch in Gesprächen mit anderen.
Was sind deine nächsten Projekte?
Nächste Woche fliege ich nach Grönland, im Anschluss sofort weiter nach Indien für ein Shooting mit Boulderer Paul Robinson und im Dezember geht es zurück nach Island.
Vielen Dank für deine Zeit und viel Erfolg weiterhin!
Danke euch!
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von Chris Burkard
Mehr Inspiration findest du auf seiner Website oder bei Instagram.
Seinen neuen Film “Under an Arctic Sky” gibt es hier als Download.
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