Knapp 70 Jahre nach dem Verschwinden von Journalist und Entdecker Raymond Maufrais in Französisch-Guayana beschließt Eliott Schonfeld, dieses Projekt des verschollenen Abenteurers zu verwirklichen. Mitten im Dschungel hatten indigene Ureinwohner im März 1950 das Tagebuch von Maufrais gefunden, doch der Autor blieb verschollen. Seine Aufzeichnungen erschienen als Buch und landeten schließlich in einer Bibliothek zufällig in den Händen des jungen Abenteurers, der nach seiner Himalaya-Expedition bereits einen Trip zum Amazonas ins Auge gefasst hatte.
Das Buch zog ihn total in seinen Bann. Fasziniert von den Worten, sollte Schonfeld nur drei Wochen später Maufrais‘ Spur in den Urwald folgen. Im Regenwald konnte er dann tatsächlich die Stelle ausfindig machen, an der man das Tagebuch gefunden hatte. Dort vergrub er das Vermächtnis und machte sich mit einem selbst gebauten Boot auf den Weg. Was für das jüngste Mitglied der Gesellschaft französischer Entdecker als Reise in die Vergangenheit seinen Anfang nahm, führte den 28-Jährigen in den Fußstapfen seines Landsmanns jedoch bald an die Grenzen seiner Kräfte.
Im Rahmen der E.O.F.T.-Jubiläumstour wird sein Selbstporträt auf der großen Leinwand gezeigt. Wie intensiv er diese Grenzerfahrung an der Nordostküste Südamerikas erlebt hat, erzählte uns der Protagonist von “Amazonie” im Interview.
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Hallo Eliot! Das Tagebuch des französischen Abenteurers Raymond Maufrais hat dich inspiriert, seinem Weg zu folgen. Was genau hat dich an ihm und dem Amazonas-Regenwald fasziniert?
Als ich sein Buch zum ersten Mal entdeckte, war ich sofort gefesselt, habe es vom ersten bis zum letzten Wort am Stück durchgelesen. Seite für Seite fühlte ich mich Raymond Maufrais unglaublich nahe – von seinen Träumen, die Zivilisation zu verlassen und in die Wildnis zurückzukehren, bis hin zu seiner Faszination dafür, die “vergessenen Instinkte” wiederzufinden, indem er lernt, wie man im Dschungel lebt. Als ich seine Zeilen las, hatte ich das Gefühl, ihn schon ewig zu kennen, als wäre er mein Bruder oder mein bester Freund.
Haben wir Stadtbewohner verlernt, wie man im Einklang mit der Natur lebt?
Ich glaube, dass die Zivilisation, deren Lebensstil auf dem Wachstum der Städte basiert, eine Art Feldzug gegen die natürliche Welt führt. Diese Kultur lehrt uns, dass die Natur gefährlich, feindlich und barbarisch ist. Um als zivilisiert zu gelten, müssen wir sie kontrollieren und ausbeuten, uns von ihr abgrenzen, indem wir in einer künstlichen Welt wie unseren Städten leben. Meine erste Erfahrung in der Wildnis machte ich zufällig, als ich 19 Jahre alt war und mich in einem australischen Regenwald verirrte. Dieses Erlebnis half mir zu verstehen, dass wir Menschen ein Teil der Natur sind, wir uns nur von ihr entfremdet haben.
Was können wir vom Leben außerhalb der Zivilisation lernen? Macht es glücklich, sich selbst versorgen zu können?
Ich habe gelernt, dass wir als Teil der Natur eigentlich in sie hineingehören. Wir bewohnen den schönsten aller Planeten, weil er – bis zum Beweis des Gegenteils – der einzige ist, auf dem Leben existiert. An den letzten wilden Orten, wo das Leben noch ungezähmt seinen Weg findet, erkennt man seinen Reichtum, seine Vielfalt und wie erstaunlich sie ist – vom größten bis zum kleinsten Lebewesen. An diesen Orten bin ich der glücklichste Mensch auf Erden. Dort fühle mich frei und absolut lebendig.
Du reduzierst deine Ausrüstung auf ein Minimum. Hast du auf deinen Reisen mit Nomaden viel über Minimalismus gelernt?
Auf meiner Mongolei-Expedition im Jahr 2015 traf ich zum ersten Mal auf Nomadenvölker. Erstmals in meinem Leben entdeckte ich da eine autarke Lebensweise außerhalb der Zivilisation. Ich bewundere das Wissen und die Freiheit dieser Menschen, die es verstehen, alles im Einklang mit der sie umgebenden Natur zu tun. Dieser Gedanke liegt meiner Expedition zugrunde: Ich versuche, diese Autonomie zu erreichen, mich an die Natur anzupassen und mit ihr eins zu werden. Später ernährte ich mich auf meiner Alaska-Expedition selbst, indem ich mein Essen in der Wildnis fand. Auf meiner Himalaya-Expedition konnte ich mit Hilfe des letzten indigenen Stammes in Asien den Großteil meines Equipments in der Natur ersetzen, also Feuer machen durch Reibung, einen Rucksack aus Bambus bauen, eine Hütte zum Schlafen errichten.
Was waren am Amazonas die schönsten Erlebnisse?
Ich glaube, mein Lieblingserlebnis auf dieser Expedition war die Fahrt auf dem Tamouri-Fluss mit meinem Floß. Ich habe jeden Tag so viele Tiere gesehen: Affen, Vögel, Otter, Leguane, Kaimane… und ich war so stolz auf mein Floß, an dem ich vier Tage gebaut hatte.
Wie sah die Vorbereitung auf dein Abenteuer im Regenwald aus?
Ich habe mich fast nicht vorbereitet. Ich entdeckte das Tagebuch von Raymond Maufrais zufällig in einer Bibliothek und drei Wochen später wollte ich in den Dschungel von Amazonien aufbrechen. Ich glaube, ein verrückter Teil meines Verstandes wollte ihn finden. Deshalb hatte ich dieses Gefühl der Dringlichkeit, das es mir nicht erlaubte, mich gut vorzubereiten. Mein einziges Ziel war es, in den Dschungel zu gelangen und zu versuchen, meinem unbekannten Freund Maufrais näher zu kommen.